Jörg Butt kann es bis heute nicht verstehen. Der jetzige Bayern-Keeper spielte zwischen 2001 und 2007 für Bayer Leverkusen. Der mittlerweile 37-Jährige war eine Institution beim Werksklub - bis zu jenem 10. Februar 2007. Im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt flog Butt nach 28 Minuten mit einer Roten Karte vom Platz.
Zuvor hatte der Bayer-Keeper 151 Liga-Spiele am Stück für Leverkusen bestritten und in sechs Jahren bei den Rheinländern überhaupt nur eine einzige Bundesliga-Partie verpasst. Der Platzverweis änderte allerdings alles. Butt wurde zwei Spiele gesperrt, viel gravierender jedoch: Er war fortan nur noch die Nummer zwei im Bayer-Tor.
Der neue Stammkeeper in Leverkusen hieß ab sofort Rene Adler. Der damals 22-Jährige überzeugte als Butt-Vertreter und wurde von Trainer Michael Skibbe zur Nummer eins befördert. Für Butt war diese Entscheidung nicht nachzuvollziehen. Doch damit stand er ziemlich alleine da.
Butt-Ablösung schon früher geplant
Intern galt Adler längst als Bayer-Keeper der nächsten Jahre, und eigentlich war eine Ablösung Butts schon viel früher geplant - aber nicht möglich, denn: Ein Haarriss in einer Rippe hatte Adler zuvor rund ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt.
Eine ähnlich lange Pause droht ihm nun wieder. Wegen anhaltender Kniebeschwerden muss sich Adler einer Operation unterziehen, bei der degeneratives Gewebe der Patellasehne entfernt wird. Bleibt es dabei, kann er nach sechs bis zwölf Wochen wieder auf den Platz zurückkehren. Muss beim Eingriff allerdings auch ein Sehnenriss behandelt werden, könnte Adler sechs Monate lang ausfallen.
Ein Schock für Leverkusen, insbesondere aber für Adler selbst. Jörg Butt ist bei Bayer zwar längst Vergangenheit und Adler beim Werksklub inzwischen die unumstrittene Nummer eins, das Verletzungspech aus der Anfangszeit seiner Karriere ist ihm aber bis heute treu geblieben.
Adlers Körper streikt immer öfter
Dabei schien Adler lange Zeit auf einem perfekten Weg. Den starken Auftritten als Butt-Erbe in der Rückrunde 2007, ließ der Bayer-Keeper eine überragende Saison 2007/2008 folgen. Als Belohnung nahm ihn Bundestrainer Joachim Löw als dritten Keeper hinter Jens Lehmann und Robert Enke mit zur Europameisterschaft nach Österreich und in die Schweiz. Adler galt als designierter Nachfolger von Lehmann und die kommende Nummer eins im deutschen Tor.
Der Sprung dorthin gelang ihm nach der EM recht schnell - und scheinbar mühelos. Nach einer überragenden Leistung in der WM-Qualifikation gegen Russland im Oktober 2008 waren sich die Experten schnell einig: Adler steht auch bei der Weltmeisterschaft in Südafrika im Tor.
Doch plötzlich streikte sein Körper immer öfter. Zunächst war es nur eine entzündende Hornhaut im Auge, die ihn für kurze Zeit außer Gefecht setzte. Kurz vor der WM, für die ihn Löw als Nummer eins vorgesehen hatte, erwischte es Adler dann richtig: Ein Rippenbruch zwang ihn zur Absage des Turniers in Südafrika. "Es wäre unverantwortlich gewesen", sagte er.
Abstieg ins Mittelmaß
Adlers Schmerz saß tief. Die deutsche Nationalelf spielte ein starkes Turnier - ohne ihn. Sein Ersatz, Manuel Neuer, glänzte mit starken Leistungen. Von ihm sprach plötzlich keiner mehr. Die neue Nummer eins im DFB-Team hieß fortan Neuer.
Adler akzeptierte es. Eine starke Saison sollte ihm wieder Auftrieb geben und näher an Neuer heranbringen. Doch während der Schalke-Keeper seine glänzenden WM-Leistungen bestätigte, versank Adler nach einer ordentlichen Vorrunde im letzten Halbjahr im Mittelmaß, auch weil ihn Knieprobleme und ein Hexenschuss phasenweise außer Gefecht setzten.
"Ich war schwächer als in der Hinrunde", gab Adler kürzlich im "Kicker" zu. "Der eigene Anspruch wird höher, dem bin ich im einen oder anderen Spiel nicht gerecht geworden."
Die Chance zur Rehabilitation hat er nun zumindest vorerst nicht. Er muss wieder mal pausieren. Wie lange, steht noch nicht fest. Aber lange genug, um aus dem Rampenlicht zu rücken. Ihm entgeht dadurch die Möglichkeit sich zu empfehlen - für den Bundestrainer, für andere Klubs, aber auch für Bayer Leverkusen.
Verlängerung auf Eis gelegt
Beim Werksklub läuft sein Vertrag am Saisonende aus. Die Bayer-Verantwortlichen hätten gerne schon mit ihm verlängert, doch Adler selbst blockte bislang ab. "Rene gibt uns ein Zeichen. Es gibt keine Deadline", sagte Sportdirektor Rudi Völler zuletzt.
Adler selbst monierte kürzlich, dass ihn das Bekanntwerden von Inhalten der Vertragsgespräche "total enttäuscht" habe und kündigte an: "Ich will mich jetzt optimal auf die neue Saison vorbereiten und deshalb haben wir das Thema (Vertragsverlängerung; Anm. d. Red.) zur Seite geschoben."
Aus einer optimalen Vorbereitung wird nun allerdings nichts. Und zumindest aus Leverkusener Sicht hat jetzt auch eine Vertragsverlängerung keine Eile mehr. Bayer muss zunächst klären, wie Adlers Ausfall kompensiert wird.
Mögliche Nachfolger
Mit Fabian Giefer (21) und Neuzugang David Yelldell (29) stehen ein junger und ein erfahrener Keeper parat. Bislang galt der talentierte Giefer als Nummer zwei. Nicht ausgeschlossen allerdings, dass Coach Robin Dutt auch Yelldell, den er aus seiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers noch kennt, eine Chance gibt.
Nicht unwahrscheinlich ist aber auch, dass sich Leverkusen nach einem neuen Keeper umschaut, der Adler zumindest annähernd gleichwertig ersetzen kann. Schließlich warten in Bundesliga und Champions League große Aufgaben auf den Werksklub, der sich mit der erneuten CL-Qualifikation ja auch ein ambitioniertes Ziel gesetzt hat.
Durchaus möglich also, dass Völler demnächst mal bei den derzeit vereinslosen Timo Hildebrand und Gerhard Tremmel angeklopft. Oder dass Bayers Sportdirektor sich in Bremen erkundigt, zu welchem Preis Werder bereit wäre, den nach der Saison ablösefreien Tim Wiese abzugeben. Oder wird gar Jens Lehmann ein Thema?
Rene Adler kann all dies derzeit nur wenig beeinflussen. Ihm bleiben momentan nur zwei Dinge: Er muss möglichst schnell fit werden und hoffen, dass sein Ersatz seine Chance nicht so gut nutzt wie er damals bei Butt. Sonst steht dieses Mal er ziemlich alleine da.