Das Jahr Schweinsteiger

Von Stefan Rommel
Bastian Schweinsteiger wurde mit Bayern München je fünf Mal Meister und DFB-Pokalsieger
© Getty

Bastian Schweinsteiger hat ein aufregendes Jahr hinter sich, sowohl bei den Bayern als auch in der deutschen Nationalmannschaft. Aber wie wurde aus Schweini ein reifer junger Mann? Die Stationen einer Metamorphose.

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Im August 2009 hat Bastian Schweinsteiger beinahe unbemerkt ein paar wichtige Dinge von sich gegeben. Lange bevor er von Trainer Louis van Gaal förmlich in seine bevorzugte Position gezwungen wurde, äußert sich der Bayern-Star über die anstehende Saison und wie er seine Rolle in naher Zukunft sieht.

"Mir ist klar, dass ich mehr Verantwortung übernehmen muss. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem, was die Leute denken und dem, was der Trainer von mir haben will. Die Leute sehen oft nur das Spektakel. Wer hinten den Ball gewinnt, ist heutzutage nicht mehr interessant."

Damals gingen die Sätze hinter dem Stempel, der Schweinsteiger für immer aufgedrückt schien, einfach unter. Knapp anderthalb Jahre später erscheinen sie wie eine Prophezeiung und eine frühe Einsicht von einem, dessen Karriere endlich eine neue Wendung brauchte.

Kein anderer Spieler der Bundesliga hat sich innerhalb der letzten zwölf Monate auf einem derart hohen Niveau weiterentwickelt wie Schweinsteiger. Aber wie kam es eigentlich dazu? Eine Chronologie in 20 Akten.

27. November 2009: Die Jahreshauptversammlung der Bayern nach einem enttäuschenden 1:1 zu Hause gegen Leverkusen und Tabellenplatz sieben. Pfiffe und Buhrufe gleich zu Beginn, als der Name Bastian Schweinsteiger fällt. Als dritter Kapitän wird er ebenso explizit genannt wie Mark van Bommel und dessen erster Stellvertreter Philipp Lahm - beide werden mit Applaus bedacht. In der Popularität der eigenen Fans rangiert das Eigengewächs Schweinsteiger nach einem Jahr ohne Titel und einem missglückten Saisonstart weit unten.

29. November 2009: Zwei Tage nach der Mitgliederversammlung zieht Trainer van Gaal seinen "kompletten Fußballer und unantastbaren Führungsspieler" von der linken Seite ins zentrale defensive Mittelfeld neben Mark van Bommel, wie Vorgänger Jupp Heynckes sieht er Schweinsteigers Potenzial in der Zentrale. Im 4-4-2 gewinnen die Bayern 3:0, Schweinsteiger überzeugt auf Anhieb auf seiner neuen, alten Position. Van Gaal begründet seine Entscheidung später überzeugend. "Wenn Bastian der Chef ist, sind wir der Chef auf dem Platz."

01. Dezember 2009: Das Landgericht München I weist die Klage von Anwalt Gerrit Hartung ab. Dieser hatte Schweinsteiger auf Schadenersatz von 833.000 Euro plus Zinsen verklagt. Der Bayern-Star habe 2005 per Handschlag einen Beratervertrag über "umfassende Beratungs- und exklusive Vermarktungsvereinbarung" mit Hartung abgeschlossen, behauptete der Kläger. Damit endet für Schweinsteiger, der längst schon vom Münchener Rechtsanwalt und Spielerberater Robert Schneider und dessen Agentur Avantgarde beraten wird, eine jahrelange Odyssee. Mit Schneider hat er endlich den richtigen Mann an seiner Seite und vor allen Dingen Ruhe. "Jeder junge Sportler macht am Anfang seiner Karriere Dinge, die nicht immer optimal sind. Bastian aber hat aus diesen Dingen gelernt und für sich die richtigen Schlüsse gezogen", sagte Schneider im April 2010 zu SPOX.

13. Februar 2010: Zum ersten Mal lässt van Gaal in der Bundesliga im klaren 4-2-3-1 spielen. Beim 3:1 über Borussia Dortmund am 22. Spieltag sind Franck Ribery und Arjen Robben wieder dabei, Schweinsteiger lenkt das Spiel mit 123 wenig spektakulären, aber zielsicheren Ballkontakten aus der zweiten Reihe. Spätestens jetzt ist klar: Seine Entwicklung ist auf dem Flügel längst zu Ende, Schweinsteiger muss auf der wichtigsten Position des modernen Fußballs vorankommen. "Ich weiß mittlerweile, was wichtig ist, gerade wo ich jetzt dritter Kapitän bin und im Zentrum spiele. Ich weiß um meine Verantwortung", sagt er damals.

03. März 2010: Im ersten Testspiel des Jahres gegen Argentinien versucht es auch Bundestrainer Joachim Löw mit Schweinsteiger auf der Position im defensiven Mittelfeld neben Michael Ballack. Es sollte der Auftakt der neuen Idealbesetzung auf der Doppel-Sechs sein - es bleibt aber bis heute beim einzigen Spiel von Schweinsteiger und Ballack auf den Positionen vor der Abwehr.

30. März 2010: Champions League, Viertelfinal-Hinspiel gegen Manchester United: Schweinsteiger ist wegen einer Gelb-Sperre nicht dabei. Und zum ersten Mal wird so richtig augenscheinlich, wie wichtig er mittlerweile für das Spiel der Bayern auf Top-Niveau ist. Van Bommel und Danijel Pranjic bekommen keine Linie ins Spiel, es fehlt an Struktur. United ist besser, verliert aber am Ende leichtfertig.

08. Mai 2010: Der FC Bayern gewinnt am 34. Spieltag 3:1 bei Hertha BSC. Schweinsteiger stellt mit 155 Ballkontakten einen neuen Bundesligarekord auf. "Das ist mein Job. Auch Xavi und Iniesta haben sehr viele Ballkontakte." Das kongeniale Duo des FC Barcelona nimmt sich Schweinsteiger stets zum Vorbild.

28. Mai 2010: Im DFB-Trainingslager in Südtirol benennt Löw seinen neuen (Ersatz-)Kapitän: Es ist Philipp Lahm, der die Binde vom verletzten Ballack übernehmen wird. Nicht wenige hatten eher mit Schweinsteiger gerechnet. Löw geht mal wieder den Kompromissweg, ernennt Schweinsteiger zur beinahe gleichberechtigten Co-Lösung und zum "emotionalen Leader" der Mannschaft. Und um die geht es Schweinsteiger in erster Linie. "Es geht immer um die Mannschaft. Ich denke jetzt mehr darüber nach als früher", sagt er.

Das Jahr Schweinsteiger, Teil 2

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