Es ist einfach, Jürgen Klopps Anschluss an Red Bull hochemotional zu bewerten und enttäuscht und sogar sauer zu sein auf ihn. Es liegt nahe, durch diesen Paukenschlag jetzt den endgültigen Tod der Fußballromantik (also ob die nicht schon längst tot wäre) zu postulieren.
Es ist einfach, es alles liegt nahe und es ist alles richtig! Jede Emotion ist angesichts dieser Nachricht berechtigt, jeder Zynismus angebracht und jedes Ohnmachtsgefühl nachvollziehbar.
Aber es ist ehrlich gesagt auch ziemlich langweilig.
Die Argumente für und gegen das Geschäftsgebaren von Red Bull im Weltfußball sind so oft wiedergekaut worden, dass sie bei mir nur noch ein Achselzucken hervorrufen. So weit ist es mittlerweile gekommen, traurig, aber wahr!
Jürgen Klopp zu Red Bull: Free-Kloppo-Demos sind nicht nötig
Die Argumente der Red-Bull-Verteidiger werden durch die ständige Wiederholung nicht richtiger. Jene (sehr viele, sehr richtigen) Argumente gegen die Rolle Red Bulls im Fußball haben das Unternehmen und seinen Ansatz nicht verändert und werden den Konzern nicht daran hindern, den Weltfußball weiter zu infiltrieren. Zumal der Weltfußball und jetzt sogar Jürgen Klopp sich ja recht gerne infiltrieren lassen von den klebrigen Brausemillionen.
Auch wenn einige Sätze aus der offiziellen Pressemitteilung so klingen, gibt es keine Anzeichen dafür, dass Jürgen Klopp direkt von der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes vergangene Woche entführt, nach Fuschl am See gebracht und gezwungen wurde, einen Vertrag als Global Head of Soccer (zu diskutieren bleibt, ob es die ganze Chose noch schlimmer macht oder das Schlamassel sogar etwas lindert, dass Fußball bei Red Bull Soccer heißt) zu unterschreiben. Free-Kloppo-Demos sind nicht nötig.
Klopp ist vielleicht der überraschendste, aber nicht der erste Akteur, dem man das Überlaufen nicht zugetraut hätte. Und Red Bull hat längst genug Nachahmer gefunden, die ihren Multi-Club-Ownerships-Imperien sogar zahlreiche Traditionsklubs einverleiben und versuchen, ihre Investmentobjekte ähnlich klug strukturiert und nachhaltig aufzubauen wie Red Bull.
Jürgen Klopp bricht immerhin nicht sein Wort
Versuchen wir daher, uns der schauerlichen Angelegenheit ohne Schaum vorm Mund und so sachlich und distanziert wie möglich zu nähern: Jürgen Klopp kehrt zum 1. Januar 2025 nach siebenmonatiger Pause in neuer Rolle und bei einem für ihn völlig anderem Unternehmen ins Fußballgeschäft zurück. Man kann ihm dabei übrigens nicht vorwerfen, dass er sein Wort gebrochen hätte: Klopp hatte bei seinem Rückzug vom FC Liverpool lediglich angekündigt, mindestens ein Jahr nicht als Trainer arbeiten zu wollen. Wobei Klopp vielleicht einen anderen Satz womöglich heute nicht mehr so sagen würde. Denn auch sein Versprechen, er würde keinen anderen englischen Klub als den FC Liverpool trainieren, hat er jetzt durch seine Unterschrift bei Red Bull nicht gebrochen. Doch zur ganzen Wahrheit gehört eben doch die Pointe, dass Klopp künftig eben auch in Kontakt stehen wird mit den Trainern und Talenten des englischen Championship-Klubs Leeds United, den Red Bull kürzlich in sein Imperium integriert hat. Man lerne: Globalisierte Konglomerate bieten immer irgendwelche Fallstricke, die einem mehr oder weniger große Haarspalter knüpfen können.
Was also bleibt, wenn man es nüchtern betrachtet? Einer der emotionalsten und vielleicht der empathischste aller Trainer auf Weltniveau wird Global Head of Soccer bei Red Bull und möchte als "Mentor für die Trainer und das Management der Red Bull Clubs" fungieren und so helfen, die "unglaublichen Fußballtalente, die uns zur Verfügung stehen, entwickeln, verbessern und unterstützen."
Dabei spricht es erst mal für Klopp, dass er mit 57 Jahren, davon fast 25 Jahre als Trainer, noch einmal eine andere Seite des Geschäfts kennenlernen und neue Dinge lernen möchte. Gegen die Entwicklung von Trainern und Talenten ist ohnehin nichts einzuwenden. Und dass die Red-Bull-Schule in diesen Bereichen zu den weltweit Führenden gehört, könnten wahrscheinlich auch die größten Hater nicht leugnen.
Unstrittig ist auch, dass Red Bull zwar ein in vielerlei und nicht nur moralischer und politischer Hinsicht sehr kritisch zu bewertender Weltkonzern ist, das Unternehmen jedoch nicht nur wirkmächtig, sondern auch sehr gut organisiert ist und es auch seine Aktivitäten im Fußball klug und nachhaltig strukturiert hat. Das alles macht Red Bull durchaus zu einer reizvollen und nachvollziehbaren Karriereoption für viele Menschen.
Jürgen Klopp und die seltene Gabe, Authentizität und Kommerz zusammenzubringen
Und vielleicht auch für Jürgen Klopp. Der zwar immer glaubhaft Fußball-Traditionalist war und nicht nur fachlich zu den Guten gehört, aber der eben immer auch ein Kind des Weltfußballs war. Jürgen Klopp ist ein Traditionalist mit Pöhler-Kappe, der zu seinem (und dem seines Kontostandes) Glück die seltene Gabe besitzt, Authentizität und Kommerz ordentlich zusammenzubringen. Dass dabei längst nicht alle seiner bisherigen Werbepartner den allerbesten Ruf haben, wurde einem wie ihm auch von Romantikern und Kommerzkritikern leichter verziehen.
Insofern war Klopps Weg zu Red Bull vielleicht nicht unbedingt vorgezeichnet, aber er ist, ganz ohne Schaum vorm Mund und nüchtern betrachtet, auch nicht der letzte Tabubruch und schon gar nicht der letzte Sargnagel für die Fußballromantik (die ja wirklich schon lange tot ist).
Jürgen Klopp zu Red Bull: Wieso tut er sich das an?
Doch so sehr ich meine eigenen Argumente lese, so wenig kriege ich die alles entscheidende Frage beantwortet: Ach, Kloppo, WTF??? Jürgen Klopp geht zu Red Bull - wieso zum Geier tut er sich das an?
Was will dieser Emotionsbolzen beim Kunstprodukt? Glaubt er wirklich, dass er da echte Liebe empfangen wird?
Was erwartet einer wie Klopp, der bei seinen Rücktrittserklärungen beim 1. FSV Mainz 05, beim BVB und beim FC Liverpool Hunderttausende (und sich selbst) zu Tränen gerührt hat von einem globalen Glücksritterkonzern wie Red Bull, in denen Sätze, die so klingen wie ein beliebiger Post auf Linkedin ("Nichts könnte mich mehr begeistern", "ich könnte nicht aufgeregter sein" oder auch "meine Leidenschaft für den Fußball und die Menschen, die den Fußball zu dem machen, was er ist") als besonders deep, authentisch und emotional gelten?
Weiß Klopp wirklich, worauf er sich da eingelassen hat? Vielleicht sollte er mal bei Max Eberl nachfragen, wie es so ist mit der echten Liebe bei Red Bull und wie Trennungen im Reich von Oliver Mintzlaff und Co verlaufen. Spoiler: Zu Tränen gerührt waren da wenige. Oder vielleicht baut Klopp schon vor und er möchte bei seinem nächsten Abschied von einem Job nicht mehr so ein Gefühlschaos erleben?