England - Deutschland 2:1 n.V.: Lionesses gewinnen die Frauen-EM 2022

Von SID/SPOX
England hat die Frauen-EM 2022 gewonnen.
© getty

Die deutschen Fußballerinnen sanken zu Boden, vergruben ihr Gesicht in den Händen - und ließen den Tränen freien Lauf. Ohne ihre Anführerin Alexandra Popp haben die DFB-Frauen den ersehnten neunten EM-Titel nach einem Kampf auf Biegen und Brechen knapp verpasst. Der Rekordeuropameister verlor das Finale von Wembley 1:2 (1:1, 0:0) nach Verlängerung gegen Gastgeber England und kassierte damit seine erste EURO-Endspielniederlage.

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"Unsere Frauen-Nationalmannschaft hat den deutschen Fußball bei der EM herausragend vertreten", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf dennoch: "Daran ändert auch die Finalniederlage gegen die großartigen Gastgeberinnen aus England nichts."

Für Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg war das zunächst ein schwacher Trost. "Wir sind todtraurig. Aber wir können stolz sein", sagte Voss-Tecklenburg in der ARD. Auch Ersatzkapitänin Svenja Huth tat die Niederlage "einfach nur schweineweh".

Die eingewechselten Ella Toone (62.) und Chloe Kelly (110.) erzielten vor der ohrenbetäubend lauten EM-Final-Rekordkulisse (Frauen und Männer) von 87.192 Zuschauern die Treffer für die Engländerinnen, die ihren ersten großen Titel holten. Lina Magull (79.) hatte zwischenzeitlich ausgeglichen.

Die Auswahl des DFB, die zuletzt bei Olympia 2016 ganz oben stand, muss bei der WM im kommenden Jahr einen neuen Anlauf nehmen. Trösten können sich die Spielerinnen des zweimaligen Weltmeisters mit einer Finalprämie von 30.000 Euro.

Nicht im Finale dabei war Kapitänin und Torgarantin Popp, die wegen muskulären Problemen ausfiel. Die 31-Jährige hatte zuvor in allen fünf Spielen getroffen. Laut DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff erlitt Popp schon am Samstag eine "leichte Zerrung". Für Popp spielte Lea Schüller - die frisch gekürte Fußballerin des Jahres. Svenja Huth vertrat Popp als Spielführerin.

Popp fehlt im Finale verletzt: "Unendlich traurig"

"So eine Entscheidung zu treffen hat aller größten Respekt verdient", sagte Voss-Tecklenburg nach dem Spiel: "Es hätte schon etwas ausgelöst beim Gegner, wenn Alex dabei gewesen wäre. Aber wir gewinnen und verlieren als Mannschaft."

Huth erklärte: "Poppi war noch beim Aufwärmen und wollte mal schauen. Aber Lea war schon vorbereitet. Für Poppi ist das natürlich unendlich traurig, beim Finale nicht auf dem Platz dabei gewesen zu sein. Aber wir sind das mannschaftlich geschlossen angegangen und haben uns am Ende leider nicht belohnt."

"Wir wollen den letzten Schritt gehen" hatte Voss-Tecklenburg kurz vor dem Anpfiff in der ARD gesagt: "Wir sehen es als Herausforderung, aber auch als Privileg."

DFB-Frauen spielen vor prominenter Unterstützung

Die Zuschauer in London, darunter jede Menge Prominenz wie Bundeskanzler Olaf Scholz, Innenministerin Nancy Faeser, Prinz William, DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Bundestrainer Hansi Flick und Bierhoff, sahen nach 180 Sekunden die erste Chance der Engländerinnen durch Ellen White.

Bei der Neuauflage des Finals von 2009 (6:2 für Deutschland) bestimmten die Lionesses auch im Anschluss das Geschehen. Die Deutschen, die auch auf Klara Bühl (Corona) verzichten mussten, hatten durch Sara Däbritz dennoch eine gute Möglichkeit (10.)

Der Abschluss brachte der deutschen Mannschaft, die mit fünf Siegen ins Finale gestürmt war, kaum mehr Sicherheit. Die DFB-Elf wurde über weite Strecken der hitzigen Partie in die Defensive gedrängt. Echte Chancen konnten sich die Engländerinnen aber nicht erarbeiten.

Mitte der ersten Hälfte befreiten sich die Deutschen vom englischen Druck. In der 25. Minute hätte Marina Hegering nach einer Ecke den Ball fast über die Torlinie gestochert. Ein potenziell strafbares Handspiel der englischen Kapitänin Leah Williamson in dieser Szene wurde per Videobeweis zu Ungunsten der DFB-Auswahl überprüft.

Lina Magull trifft für Deutschland zum Ausgleich

Danach passierte erst einmal nicht mehr viel. Beide Mannschaften neutralisierten sich im Mittelfeld. Das änderte sich in der 38. Minute, als erneut White die englische Führung auf dem Fuß hatte.

Zu Beginn des zweiten Durchgangs drehten die Deutschen auf. Die eingewechselte Tabea Waßmuth (48.) und Magull (50.) vergaben die Chancen zur Führung. Danach wurde die Gangart noch einmal härter, nach einer Stunde hatte Schiedsrichterin Katerina Monsul (Ukraine) bereits fünf Gelbe Karten verteilt.

Beim Gegentreffer von Toone war die deutsche Abwehr zu weit aufgerückt. Magull hätte postwendend den Ausgleich erzielen können, traf aber nur den Pfosten (66.). Danach warfen die Deutschen alles nach vorne, Voss-Tecklenburg brachte für die Schlussoffensive eine Reihe frischer Kräfte. Magull belohnte das anrennende DFB-Team mit dem Ausgleich.

DFB-Frauen bekommen Empfang in Frankfurt

In der Verlängerung waren die Deutschen zunächst aktiver, Kelly spitzelte den Ball nach einer Ecke aber über die Linie.

Schon vor dem Finale war klar, dass unabhängig vom Ausgang am Montagnachmittag in Frankfurt/Main gefeiert wird. Die deutsche Mannschaft präsentiert sich ihren Fans auf dem Rathausbalkon am Römer.

Auf die Zeit nach der Endrunde blickte Neuendorf bereits mit großen Hoffnungen voraus. "Die Mannschaft hat das ganze Land in den letzten Wochen in einen kleinen Rausch versetzt", sagte der DFB-Boss: "Wir wollen das Ganze ummünzen, wir wollen konkrete Ziele erreichen."

EM-Finale: Die Stimmen

Martina Voss-Tecklenburg (Bundestrainerin): "Wir waren nah dran. England hat im eigenen Land aber dem Druck standgehalten. Glückwunsch an die Engländerinnen. Alexandra Popp hätte auch beim Gegner etwas ausgelöst mit ihrer Präsenz. Aber es ging einfach nicht. Wir sind todtraurig, dass wir verloren haben. Wir sind in einem Prozess, es hat nicht ganz gereicht. Also müssen wir noch ein bisschen mehr tun. Wir wachsen an solchen Spielen."

Bernd Neuendorf (DFB-Präsident): "Unsere Mannschaft hat den deutschen Fußball bei der EM herausragend vertreten, daran ändert auch die Finalniederlage gegen die großartigen Gastgeberinnen aus England nichts. Unsere Spielerinnen haben das ganze Land begeistert, sie sind sympathisch, authentisch und nahbar aufgetreten, sie leben echten Teamgeist vor. Besonders herausheben möchte ich unsere Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die Entwicklung der Mannschaft trägt ihre Handschrift."

Heike Ullrich (DFB-Generalsekretärin): "Es ist sehr schade, dass es heute nicht zum neunten EM-Titel gereicht hat. Trotzdem hat die Mannschaft ein herausragendes Turnier gespielt und kann sehr stolz auf sich sein. Unsere Spielerinnen haben mit ihrer couragierten und leidenschaftlichen Art eine riesige Begeisterungswelle in Deutschland ausgelöst. Jetzt gilt es, genau diese Begeisterung in die neue Saison der Frauen-Bundesliga mitzunehmen, denn in der Liga sind die meisten unserer EURO-Heldinnen zu sehen."

Hansi Flick (Bundestrainer): "Es tut mir für Martina Voss-Tecklenburg und ihr gesamtes Team sehr leid, dass sie ihre großartigen Auftritte nicht mit dem Titel krönen konnten. Aber nach der ersten Enttäuschung können sie mit Stolz auf dieses Turnier zurückblicken. Mit welcher Leidenschaft und gleichzeitig Leichtigkeit, Spielfreude und Teamgeist die Mannschaft durch dieses Turnier gegangen ist, hat mich begeistert. Das war auf und neben dem Platz überragend, die Spielerinnen waren eine verschworene Einheit und deshalb erst im Finale von den Gastgeberinnen zu besiegen."

Oliver Bierhoff (DFB-Geschäftsführer): "Dieses großartige Turnier unserer Mannschaft hätte den Titelgewinn als würdigen Abschluss verdient gehabt. Im DFB haben wir für unsere Mannschaften das Motto vorgegeben: Zurück an die Weltspitze. Die Auftritte unserer Mannschaft in England waren trotz der Finalniederlage vom ersten Spiel an bis zum Schluss ganz große Klasse, dieses Turnier wird ein Meilenstein für die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland sein. Diese Leistung unserer Nationalmannschaft gibt dem gesamten DFB nochmal Extra-Motivation mit Blick auf die Ende des Jahres anstehende Weltmeisterschaft der Männer."

Svenja Huth (Ersatzkapitänin): "Es tut gerade einfach nur schweineweh, als Verlierer den Platz zu verlassen. Wir haben 120 Minuten alles gegeben und uns auch vom Rückstand nicht schocken lassen. Leider haben wir uns nicht belohnt."