Der SPOX-Dopingreport im Fußball

Seit März 2016 gibt es in Spanien keine Dopingtests im Fußball mehr
© spox

Keine Doping-Kontrollen im spanischen Profifußball seit März 2016. Nachdem die Weltantidopingagentur (WADA) im Februar Alarm schlug, stellt sich SPOX im vierteiligen Dopingreport die Frage: Haben die Erben des zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten Dopingarztes Eufemiano Fuentes im Fußball freie Bahn? Recherchen manifestieren ein düsteres Bild der Primera Division und von deren Verantwortlichen im Umgang mit dem Thema Doping. Doch in Deutschland lassen sich ebenfalls rasch Unregelmäßigkeiten finden.

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  • Im ersten Teil beantwortet der SPOX-Dopingreport zunächst die Fragen: Wie kann es in einer der größten Ligen Europas überhaupt zu einem Test-Vakuum kommen und warum wollte kein Gremium oder Verband der spanischen Antidopingagentur - trotz ihrer Hilferufe - unter die Arme greifen? Und wieso schlug kein spanischer Verein ob der fehlenden Tests Alarm?
  • Teil zwei skizziert mutmaßliche Dopingpraktiken von 2001 bis 2005 bei Real Sociedad, die das kleine Team um den jungen Xabi Alonso erst in die Champions League und dann fast in den Ruin führten. Der Präsident, der das damalige EPO-Doping wohl zu verantworten hat, leitete anschließend die Geschicke der Primera Division. SPOX hat Spaniens führenden Dopingexperten gefragt: Wie ist so eine Vita möglich?
  • Punkt drei des Reports wirft einen ausführlichen Blick auf das Testsystem in Deutschland. SPOX deckt dabei Probleme bei der Dokumentation von NADA und DFB im Umgang mit Trainingskontrollen der deutschen Nationalmannschaft auf. Der DFB bestätigt zudem exklusiv, dass es Ermittlungen nach drei auffälligen Tests im deutschen Fußball gegeben hat und regt erstmals eine neue Herangehensweise an, um mutmaßlichen Betrügern noch nachträglich auf die Spur zu kommen.
  • Part vier zeigt: Auch in der Bundesliga läuft längst nicht alles transparent ab. Da darf mit Thiago ein Spieler des FC Bayern bei einer unangekündigten Trainings-Kontrolle mutmaßlich abtauchen und erhält aufgrund der komplizierten Zuständigkeiten keine Strafe. Aber wer ist denn nun für wen zuständig? Und kann ein Bundesligaspieler wie Thiago mit einem "Missed Test" wirklich betrügen?

Teil 1: Warum gibt es in der Primera Division keine Dopingtests?

Nur noch eine Woche länger. Dann wären die neuesten Verfehlungen des Fußballs im Kampf gegen Doping wohl gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Die spanische Regierung hatte bereits länger Gesetzesentwürfe angekündigt, damit die Anti-Doping-Maßnahmen des Landes wieder den Standards der WADA angepasst werden.

Doch kurz vor Veröffentlichung am 19. Februar sickerten Infos einer skurrilen und aus Sicht von Dopingbekämpfern beängstigenden Situation durch.

Es gibt in den spanischen Profiligen seit März keine offiziellen Dopingkontrollen mehr.

Es folgten Statements der WADA, die Situation sei "alarmierend" sowie hilflos wirkende Erklärungsversuche der spanischen Anti-Doping-Agentur (AEPSAD). Dass Spieler der international spielenden Teams weiter getestet werden können, ist ein schwacher Trost.

Dopingsünder könnten das Vakuum in La Liga als Freibrief verstehen, der spanische Fußball gilt spätestens seit der Blutbeutel-Affäre um den ehemaligen Frauenarzt und Hormonexperten Eufemiano Fuentes als besonders vorbelastet. Der hatte bei seiner ersten Vernehmung geprahlt, auch Fußballer mit Eigenblutdoping (EPO) versorgt zu haben - nahm in den späteren gerichtlichen Auseinandersetzungen offiziell jedoch Abstand von dieser Aussage.

Dopingexperte Thomas Kistner im SPOX-Interview: "Fußball vom Doping verseucht"

Wie kann es in einem derart vorbelasteten Land zur jetzigen Situation kommen?

Die WADA hatte Spanien und die AEPSAD vor gut einem Jahr als "nicht konform" eingestuft. Daraufhin wurde das für Spanien zuständige Hauptlabor in Madrid suspendiert.

Das kam für die Verantwortlichen jedoch nicht überraschend. Die Sanktionen im vergangenen März waren verhängt worden, nachdem Spanien Fristen zur Anpassung an den Code der WADA hatte verstreichen lassen. Bereits seit Herbst 2015 standen Spanien und andere Länder am Pranger.

FIFA und UEFA verweigern Hilfe

In die Bredouille geriet Spanien durch die Politik. Die Querelen um die Regierungsbildung, die nach rund zehn Monaten erst im vergangenen Herbst durchgeführt werden konnte, verhinderten die Verabschiedung von Gesetzen, die Neuerungen des WADA-Codes in die Statuten des Landes implementiert hätten. Diese Neuerungen hätten zum einen eine längere Verjährungsfrist für Dopingsünder bedeutet und eine Anhebung der Sperrzeit nach einem positiven Test auf vier Jahre bewirkt. Doch der Staat war zunächst nicht handlungsfähig.

Die AEPSAD erklärte unlängst nach dem Bekanntwerden der fehlenden Tests, die WADA habe sie im März 2016 aufgefordert, die internationalen Verbände der jeweiligen Sportarten um Hilfe bei der Durchführung von Dopingtests zu bitten.

"Die AEPSAD hat in fast allen Sportarten Vereinbarungen mit internationalen Verbänden treffen können, die es ihr ermöglicht hat, die Qualität der Dopingkontrollen für spanische Sportler den WADA-Standards entsprechend aufrecht zu erhalten. Nur im Fußball wollten weder UEFA noch FIFA helfen", erklärt der spanische Dopingexperte Carlos Arribas gegenüber SPOX. Der erfahrene Journalist der El Pais steht im engen Austausch mit AEPSAD-Sprecher Gomez Bastida und zitierte diesen auch in seiner Berichterstattung.

Die UEFA teilte auf Anfrage mit, ihr seien in diesem Fall die Hände gebunden gewesen. Sie sei "nicht zuständig für Spieler und Partien auf nationaler Ebene". Auch die FIFA fühlt sich nur für internationale Spiele zuständig.

Was ist die Position der NADA?

Das heißt: Zwei der international umsatzstärksten Verbände haben einem ihrer bedeutendsten Mitgliedsstaaten in einer Ausnahmesituation nicht geholfen. Interessant dabei: Die Chefin der deutschen Anti-Doping-Agentur (NADA), Dr. Andrea Gotzmann, sitzt seit 2015 in einem sogenannten Anti-Doping-Panel der UEFA.

Eine SPOX-Anfrage, ob Gotzmann und ihre Kolleginnen und Kollegen in diesem konkreten Fall nicht hätten vermitteln oder gar helfen können, wurde nicht beantwortet. Es blieb bei dem Verweis der NADA auf eine Pressemitteilung der UEFA aus dem Jahr 2015, in der die Aufgaben des Panels dargelegt sind.

Diese sind allgemein gehalten und beziehen sich auf die Arbeit innerhalb der UEFA. Ob und inwiefern ein einzelner Verband, der sich in Not befindet, von der Expertise des Panels profitieren kann, ist nicht ersichtlich.

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Gegenüber SPOX fordert die NADA auf die spanischen Verhältnisse angesprochen: "Es muss dringend eine Lösung für die Durchführung von Kontrollen im spanischen Fußball gefunden werden." Die NADA halte es darüber hinaus für wichtig, dass alle Organisationen jetzt sehr schnell einen pragmatischen Ansatz zur Umsetzung eines glaubwürdigen Kontrollsystems erarbeiteten. "Eine effektive Anti-Doping-Arbeit schützt die sauberen Athletinnen und Athleten."

Eine Frage bleibt dennoch offen: Wer, wenn nicht Mitglieder eines Anti-Doping-Panels innerhalb der UEFA, mit jeder Menge Experten auf dem Gebiet und mit der entsprechenden Sensibilität für das Thema, hätten in der Problematik um schnelle Hilfe bei der Aufrechterhaltung der Kontrollen in Spanien vermitteln können?

Mit den am 19. Februar auf den Weg gebrachten Gesetzesentwürfen will die spanische Politik nun die Missstände beheben. Die wichtigsten Veränderungen betreffen die von der WADA geforderte Anhebung der Dopingsperre von zwei auf vier Jahre nach dem ersten positiven Test. Die Verjährungsfrist für Dopingvergehen soll zudem von acht auf zehn Jahre ansteigen. Künftig dürfen Ärzte, Trainer und Teamchefs bei einer Mithilfe suspendiert werden.

Warum reagieren die spanischen Vereine nicht?

Der Entwurf muss allerdings noch vom Parlament verabschiedet werden. "Erst dann wird der nicht konforme Status des Labors in Madrid wieder aufgehoben", weiß Arribas. "Wochen" könne das noch dauern. Die Saison in Spanien neigt sich dem Ende entgegen.

In einem seiner Leitartikel wunderte sich der 58-Jährige, der seit Anfang der 90er Jahre für die El Pais über Doping nicht nur im Radsport und der Leichtathletik berichtet, dass kein einziger der spanischen Profivereine das Vakuum in den vergangenen elf Monaten öffentlich anprangerte - sich gar beschwerte.

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Bei der Beurteilung, warum der jetzige Aufschrei in seinem Heimatland wiederholt nicht der Rede wert war, tut sich der erfahrene Berichterstatter schwer. "Die Spanier haben eine schlechte Beziehung zum Thema Doping. Sie haben viele negative Storys gehört", erklärt er im Gespräch mit SPOX. Niemand gebe der ganzen Sache noch eine wirkliche Bedeutung.

In einem Land, in dem ein mutmaßlicher Dopingförderer im Profifußball Präsident der spanischen Primera Division werden kann, mag das nicht verwundern (Lesen Sie weiter auf Seite 2).