SPOX: Herr Stipic, Sie sind in der vergangenen Drittligasaison am letzten Spieltag in buchstäblich letzter Sekunde mit den Stuttgarter Kickers abgestiegen. Auch schon im Jahr zuvor fehlte Ihnen mit Erzgebirge Aue ein Törchen zum Klassenerhalt. Derzeit sind Sie auf Vereinssuche. Wie groß war die Enttäuschung im Mai, erneut so knapp abgestiegen zu sein?
Tomislav Stipic: Wir im Trainerteam haben alles für den Klassenerhalt gegeben. Am Ende tat es mir für alle Beteiligten sehr leid, denn es fehlte wie Sie sagen zum wiederholten Male ein einziges Tor, um uns alle zu belohnen.
Stipic im SPOX-Interview: "Wer zum Teufel ist dieser Stipic?"
SPOX: Zumal die Hoffnung auch in Stuttgart ja berechtigt war, die Klasse zu halten. Unter Ihnen holten die Kickers in 22 Spielen 27 ihrer insgesamt 43 Punkte.
Stipic: Das stimmt. Enorm viel Arbeit, noch mehr Gespräche und die Bedeutsamkeit der kleinsten Details mündeten in einer tollen Aufholjagd und in einer unter dem Strich sehr guten Rückrunde. Daher hat es mich erst recht geärgert.
SPOX: Wieso ging es bei den Kickers nicht mehr weiter?
Stipic: Ich hatte nur einen für die 3. Liga gültigen Vertrag. Damit aber etwas Erfolgreiches wachsen kann, bedarf es eines gesunden Nährbodens. Durch den Abstieg gab es diesen nicht mehr.
SPOX: Was sagen Sie zu den Vorwürfen des aussortierten Enzo Marchese, der nach seinem Wechsel nach Spanien die meiste Schuld am Abstieg Sportdirektor Zeyer zuschob?
Stipic: Als Kapitän ist man Führungskraft, genauso ist es natürlich auch als Trainer. Ich mache mir in erster Linie darüber Gedanken, was ich in meiner Funktion anders und besser hätte machen können, um der Mannschaft zu mehr Erfolg zu verhelfen. Die Analyse meiner Handlungen und der meiner Mannschaft lautet die Aufgabe, das Urteilen über die sportliche Leitung gehört nicht dazu. Ich bin der Überzeugung: Wenn sich jeder an solch klare Strukturen hält und vor allem seiner jeweiligen Verantwortung nachkommt, dann steigt auch die Chance auf gemeinsamen Erfolg.
SPOX: Wie haben Sie seitdem Ihre freie Zeit verbracht?
Stipic: Fußballtrainer ist kein Job, es ist ein Leben. Wenn man ohne Verein dasteht geht die Arbeit jeden Tag weiter - nur leider nicht auf dem Platz. Dieser Beruf ist ein Privileg, man lebt ihn mit allen Sinnen. Auch an den dunkleren Tagen.
SPOX: Wie zeigt sich das genau im Moment?
Stipic: Ich schaue weiterhin Spiele und sichte in Stadien in unterschiedlichen Ligen. Treffen und der Austausch mit Kollegen stehen jetzt auf der Tagesordnung. Dazu mache ich Hospitationen bei anderen Vereinen, besuche Vorträge oder halte selbst welche, um mich immer wieder weiter zu entwickeln.
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SPOX: Können Sie das bitte etwas konkretisieren?
Stipic: Ende Oktober folge ich einer Einladung von Ajax Amsterdam zur Hospitation. Nebenbei absolviere ich einen Englisch-Intensivkurs, um mit der Sprache Wissen und Emotionen zu verschiedenen Menschen noch besser transportieren zu können.
SPOX: Kürzlich waren Sie als Redner von der TU München eingeladen worden.
Stipic: Genau. Man kam auf mich zu und fragte, ob ich nicht vor Führungskräften aus der Industrie zum Thema "Führung und Motivation" sprechen könne. Es war eine tolle Erfahrung mit vielen interessanten Menschen und es war ein schönes Gefühl, den Teilnehmern etwas mitgeben zu können.