Teamorder in der Formel 1: Zum Verteufeln?

Maurizio Arrivabene ist der Teamchef von Ferrari
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Obwohl Force India beim Großen Preis von Kanada erneut ein Top-Ergebnis einfuhr, gab es Stress beim britischen Rennstall. Der Grund: Sergio Perez ließ den schnelleren Esteban Ocon nicht vorbei und verweigerte damit eine Teamorder. Auch Ferrari wird in der Formel-1-Saison 2017 immer wieder mit dem Thema "Stallregie" konfrontiert. Doch was ist eigentlich so schlimm daran?

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Es ist schon erstaunlich, was Force India Jahr für Jahr abliefert. Mit kleinem Budget schafft es der ehemalige Jordan-Rennstall immer wieder, die finanziell deutlich stärker aufgestellten Teams wie Williams, McLaren und Renault hinter sich zu lassen.

In der Saison 2016 katapultierten Sergio Perez und Nico Hülkenberg das "Spielzeug" von Milliardär Vijay Mallya sensationell auf den vierten Rang der Konstrukteursmeisterschaft. Und 2017? Da sieht es genauso gut aus.

Mit 71 Punkten nach sieben Rennen liegt Force India erneut nur hinter den großen Dreien um Mercedes, Ferrari und Red Bull - mit satten 42 Zählern Vorsprung auf Toro Rosso. Platz fünf und sechs in Montreal unterstrichen dabei die gute Form von Perez und Esteban Ocon. Die Welt im rosa Lager sollte also eigentlich auch entsprechend rosarot aussehen. Eigentlich.

Denn was nach dem Kanada-GP bei Force India vorherrschte, war Zoff und Frustration - zumindest auf einer Seite der Garage. Der Grund: Perez scheiterte daran, Daniel Ricciardo mit einem Überholmanöver vom Podest zu stoßen. Also wollte sich der dahinter fahrende und mit frischeren Reifen ausgestattete Ocon am Australier versuchen und forderte, vom Teamkollegen vorbeigelassen zu werden. Perez' Renningenieur Tim Wright gab die Ansage an seinen Schützling weiter. Doch anstatt Platz zu machen, hielt der Mexikaner seine Position. Teamorder? Nicht mit Perez.

Ocon wütet gegen Perez

Dass Ocon anschließend nach einer harten Attacke von Sebastian Vettel durchs Gras fahren musste und seine Position verlor, dürfte den Frust des Franzosen weiter gesteigert haben. Dass sich Perez in den Schlussrunden dann zumindest grenzwertig gegen dessen Attacken gewehrt hat, wird Ocons Fass zum Überlaufen gebracht haben.

"Das war nicht fair!", wütete der 20-Jährige noch am Teamradio: "Er hat in letzter Minute die Spur gewechselt, das kann er nicht machen. Das hat nichts mit fairem Racing zu tun!"

Perez ließ diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen. Er habe sich korrekt verteidigt und stets die Chance gesehen, Ricciardo noch zu überholen, wie er nach dem Rennen in die TV-Kameras erklärte: "Ich war das ganze Rennen in Daniels DRS-Fenster. Ich hätte nur einen kleinen Fehler, einen Verbremser von ihm gebraucht. Er fuhr aber perfekt."

Teamorder bei Ferrari?

Während sich die beiden Force India also bis ins Mark bekämpften, kam es dahinter zu einem anderen erwähnenswerten Szenario: Vettel holte auf Kimi Räikkönen auf, als der Finne in der letzten Schikane geradeaus fuhr und so seinen Platz an den viermaligen Weltmeister verlor. Obwohl ein Bremsproblem für den Ausritt verantwortlich war, sahen die ersten Verschwörungstheoretiker sofort eine Stallorder bei Ferrari.

Mal wieder. Denn schon nach dem Großen Preis von Monaco hielten sich die Spekulationen um eine Regieanweisung der Scuderia wacker. Beim Rennen im Fürstentum verlor Räikkönen den Sieg an Vettel aufgrund der schlechteren Reifenstrategie - kein Zufall, hieß es vielerorts. Vettel sollte das Rennen gewinnen.

"Ich habe ein bisschen gelacht, als ich die Kommentare gehört habe", sagte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene süffisant zu den Spekulationen: "Das ist nicht die Realität. In der Fahrer-Meisterschaft können sie frei handeln, bis die Zahlen eindeutig in die eine oder andere Richtung gehen."

Ob Ferrari in Monaco und Kanada nun absichtlich die Positionen seiner beiden Fahrer getauscht hat oder Vettel einfach das Glück auf seiner Seite hatte, lässt sich als äußerer Beobachter nicht beurteilen. Vielmehr stellen sich andere Fragen: Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn die Italiener das teaminterne Ergebnis kalkuliert hätten? Was hätte dagegen gesprochen, Ocon an Perez vorbeizuschieben? Wo war das Problem, als Valtteri Bottas den schnelleren Lewis Hamilton in Bahrain vorbeigelassen hat?

Formel 1 ist Teamsport

Die Teamorder wird in der Formel 1 seit jeher verteufelt. Das ist auf den ersten Blick wenig verwunderlich, schließlich wollen die Zuschauer echte Überholmanöver sehen. Von den Kommandoständen geplante Positionswechsel wirken da eher wie ein schlechtes Schauspiel und nicht wie Racing in seiner Reinform.

Allerdings ist die Formel 1 ein Teamsport. Und für die Teams steht das Abschneiden in der Konstrukteurs-WM im Mittelpunkt, nicht das Einzelschicksal des Fahrers. Dieser ist beim Rennstall angestellt und muss sich entsprechend in dessen Dienst stellen. Eine Tatsache, die sich zwar mit dem Ehrgeiz und Erfolgshunger des (egoistisch denkenden) Piloten beißt und entsprechend oft "vergessen" wird, deswegen aber nicht weniger korrekt ist.

Im Fall von Force India war Ocon im Vergleich zu Perez der schnellere Mann und hätte Ricciardo womöglich angreifen und dem Team damit mehr Punkte einbringen können. Der Wunsch des Positionstausches war hier aus Force Indias Sicht also nur konsequent.

Darüber hinaus steht eine Stallorder vor allem dann zur Debatte, wenn die Diskrepanz zweier Teamkollegen groß ist. In so einem Fall verwundert es nicht, wenn der schnellere Fahrer bevorzugt wird. Schließlich ist dieser in der WM-Wertung das heißere Eisen - und bringt damit bessere Publicity und am Ende des Tages mehr Geld.

Bewegen sich zwei Stallgefährten hingegen auf Augenhöhe, lässt das Team diese meist auch freier gewähren. Mercedes hat das in der Vergangenheit den "Krieg der Sterne" eingebracht.

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