Der Weltmeister fährt nicht. Sebastian Vettel war in den ersten Stunden der neuen Formel-1-Saison zum Zuschauen verdammt. "Ein Teil ist falsch herum montiert worden", erklärte der 26-Jährige am ersten Tag der Testsession im spanischen Jerez. Und weil der am Morgen vorgestellte, nagelneue RB10 "wie ein Puzzle" ist und sein Zusammenbau durchaus etwas mit "Raketenwissenschaft" zu tun hat, stand Vettel zunächst still.
Einen ersten Eindruck von seinem neuen Arbeitsgerät konnte sich der Heppenheimer dabei nicht verschaffen, "daür war es einfach zu wenig. Ich habe noch nicht einmal ganz aufs Gas gehen können". Eine leichte Rauchentwicklung an seinem Wagen sei "nichts Dramatisches" gewesen.
Der große Konkurrent Mercedes war bis zum Mittag einen kleinen Schritt weiter, hatte aber auch so seine Sorgen. Zwar präsentierten die Schwaben im W05 wie Red Bull eine sehr ansehnliche Antwort auf die Frage, wie hässlich die neuen Nasen der Formel-1-Renner sein müssen, doch ausgerechnet ein sich lösender Frontflügel stoppte Ex-Weltmeister Lewis Hamilton bei einer seiner wenigen Runden.
Immerhin ging der Unfall glimpflich aus, Schaden gab es nur am Silberpfeil. "Als Erster auf der Strecke gewesen zu sein war sehr positiv. Trotz des Unfalls hat sich der Wagen ziemlich gut angefühlt", sagte der 29-Jährige.
Horner bremst
Insgesamt hielten sich die Teams mehr oder weniger freiwillig sehr zurück. "Unser Ziel war es, unser Auto überhaupt hierher zu bringen", stellte Red-Bull-Teamchef Christian Horner klar. Auch wenn der RB10 fast nur stand, war das schon mehr als zum Beispiel Marussia (Auto kommt erst Mittwoch) oder Lotus (kommt gar nicht) überhaupt zu leisten im Stande waren.
Ferrari-Rückkehrer Kimi Räikkönen wurde schon in seiner ersten Runde aus Sicherheitsgründen von den Ingenieuren gestoppt, kam aber am Ende des Tages trotzdem auf die meisten Runden aller Fahrer.
Auch ohne Strecken-Kilometer im neuen Auto wagte Sebastian Vettel schon mal einen Ausblick auf die Saison: "Das Rennfahren wird sich verändern. Wir werden nicht das ganze Rennen Vollgas geben können, müssen Sprit sparen", so Vettel, der prophezeite: "Die Abstände werden größer werden." Nach drei oder vier Rennen werde man sehen, wo man steht, dann könne man auch Erwartungen formulieren.
Vettel vermisst
Vettel vermisst schon jetzt den Sound der alten Autos: "Ich liebe den V8. Für mich geht es in die falsche Richtung." Immerhin war bei den ersten Kostproben der Turbos in Jerez ein durchaus angenehmes, dumpfes Grollen zu vernehmen, dem allerdings das Kreischen der höherdrehenden V8-Triebwerke fehlte.
Durch die zahlreichen Regeländerungen werde sein neues Arbeitsgerät zwar mehr Drehmoment, aber deutlich weniger Grip haben und mehr rutschen. "Das ist ein Schritt zurück", so Vettel. Zuvor hatte sein Teamchef Horner angemerkt, dass es für die vielen Neuerungen vielleicht der falsche Zeitpunkt sei, "auch, weil es soviel kostest". Bei 20 bis 25 Prozent würden die Mehrkosten im Vergleich zum Vorjahr liegen.
Konkurrenz experimentiert
Den gewöhnungsbedürftigen Look zahlreicher Konkurrenten wie die Staubsauger-Variante von Ferrari oder die Gabelstapler-Lösung von Lotus erklärte Red-Bulls-Design-Guru Adrian Newey. "Die Regeln sorgen für hässliche Lösungen", so Newey, schließlich würden die Autos gebaut, um "die beste Performance abzuliefern", und nicht den besten Look. Ihm gelang mit der an den Bug einer Yacht erinnernden Nase mal wieder ein kleines Kunstwerk.
Den Titel der schönsten Neuentwicklung verdiente sich allerdings der neue Silberpfeil. "Er sieht fantastisch aus, sehr aggressiv, aber auch voller wirklich schöner Details", sagte Hamilton. Der Mercedes hat eine steil abfallende, breite und nach unten geöffnete Nase. Ob das letztlich nicht nur schön, sondern auch schnell ist, wird sich noch zeigen müssen.
Alles zur neuen Saison