Tanja Eisenschmid im Interview: "Eigentlich passe ich besser ins Männer-Eishockey"

Tanja Eisenschmid spielte an der Uni von North Dakota.
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In der vergangenen Woche haben mehr als 200 Spielerinnen aus Protest gegen schlechte Bezahlung und katastrophale Rahmenbedingungen einen Boykott der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga (NWHL) angekündigt. Eine der Spielerinnen: Tanja Eisenschmid. Im SPOX-Interview erklärt die 26-Jährige die Hintergründe.

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Außerdem erzählt Eisenschmid vom Eishockey-verrückten North Dakota und einer Begegnung mit Sidney Crosby - dazu verrät sie, warum Bruder Markus und sie in der Kategorie Disziplin nicht viele Punkte bekommen.

Markus Eisenschmid trifft mit Deutschland zum WM-Auftakt am Samstag (16.15 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) auf Aufsteiger Großbritannien.

Tanja, Sie haben vor einigen Monaten eine schwerwiegende Knöchelbruchverletzung erlitten und befinden sich aktuell in der Reha. Wie geht es Ihnen?

Tanja Eisenschmid: Danke, mir geht es schon wieder viel besser. Ich bin jeden Tag im Fitnessstudio, mache Aqua-Jogging und versuche, so schnell es geht wieder fit zu werden. Ich bin auf einem guten Weg, aber es wird noch eine Weile dauern. Die Prognose war, dass ich nach vier bis sechs Monaten wieder vollständig genesen bin.

Wie ist die Verletzung genau passiert?

Eisenschmid: Ich bin im Länderspiel gegen Finnland gecheckt worden und in die Bande reingefallen. Mein Bein lag dann direkt an der Bande dran, als die Gegenspielerin von hinten mit voller Wucht auf mein Knie gekracht und mein Fuß komplett weggebrochen ist. Mein Fuß hing links vom Bein weg. Ich habe versucht, ihn schnell wieder selbst einzurenken, so wie man es bei der Schulter macht, und wollte sogar zur Bank fahren. Aber das hat natürlich nicht funktioniert. Ich bin dann vom Eis gekrochen und gleich ins Krankenhaus gebracht worden.

In kein deutsches Krankenhaus.

Eisenschmid: Richtig, wir waren in Russland und leider nicht in Moskau, sondern in einem ganz abgelegenen Krankenhaus. Als ich hörte, dass es sich um eine Dermatologie handelt, bin ich innerlich ausgeflippt. Zum Glück wurde aber noch ein Arzt gefunden, der meinen Fuß einrenken konnte. Danach bin ich sofort nach München geflogen und dort auch operiert worden, ab da wusste ich, dass ich in super Händen bin. Die Ärzte und der DEB haben sich super um mich gekümmert.

Tanja Eisenschmid über den Schritt nach Nordamerika

Ihr Bruder Markus und Ihre Schwester Nicola spielen ebenfalls Eishockey. Die Eisenschmids sind eine richtig große Eishockey-Familie. Sind Sie quasi ins Eishockey reingeboren worden?

Eisenschmid: Eigentlich gar nicht. Es hat ganz unspektakulär damit angefangen, dass ich im Kindergarten so wie mein großer Bruder auch das Schlittschuhlaufen lernen wollte. Wir sind da alle so reingerutscht. Eishockey hat uns irgendwie verbunden, es war und ist bis heute toll, mit seinen Geschwistern eine Leidenschaft zu teilen. Eishockey oder Hockey, was mein großer Bruder spielt, ist so zum Thema Nummer eins bei uns geworden. Und mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es vielleicht mehr als ein Hobby sein könnte. Mir hat sicher auch geholfen, dass ich bis 17 oder 18 mit den Jungs gespielt habe. Generell liebe ich das Gemeinschaftsgefühl beim Eishockey. Teil einer Mannschaft zu sein, sich gegenseitig zu pushen - das ist ein ganz anderes Gefühl als im Einzelsport.

Ein großer Schritt für Sie war das Stipendium an der Universität von North Dakota. Eine Uni, an der Stars wie Jonathan Toews oder T.J. Oshie gespielt haben. Wie ist es dazu gekommen?

Eisenschmid: Peter Elander war der entscheidende Mann dafür. Er war Coach in North Dakota und kam auf mich zu, weil er von meinem Interesse gehört hatte. In Nordamerika Eishockey spielen und nebenher studieren zu können, war schon immer ein Traum von mir. Er ist dann nach Deutschland geflogen und hat mir ein Angebot gemacht, das ich eigentlich nicht ablehnen konnte. Weil er die europäischen Spielerinnen sehr gut kannte, habe ich mich gleich geborgen gefühlt. Aber am Anfang hatte ich natürlich trotzdem Bammel. (lacht) Ich war erst 18 damals. Es war schon ein großer Schritt, ganz alleine nach North Dakota zu gehen, zumal mein Englisch damals auch nicht so gut war. Könnte ich die Abi-Prüfungen heute nochmal machen, würde es jetzt wahrscheinlich besser laufen. Im Nachhinein ist es schon Wahnsinn, dass ich mich diesen Schritt getraut habe, aber ich habe es keine Sekunde bereut.

Tanja Eisenschmid ist seit Jahren fester Bestandteil des DEB-Teams.
© getty
Tanja Eisenschmid ist seit Jahren fester Bestandteil des DEB-Teams.

Tanja Eisenschmid über das Eishockey-verrückte North Dakota

Wie kann man sich Eishockey in North Dakota vorstellen?

Eisenschmid: Eishockey bedeutet den Menschen dort alles. Zu den Spielen der Männer kommen 12.000 Zuschauer, da ist es immer ausverkauft. Die reisen auch überall mit hin, in Deutschland kann man es vielleicht mit der Eishockey-Verrücktheit in Mannheim vergleichen. Die Stadt fördert Eishockey auch finanziell enorm und Stars wie Toews und Oshie kommen immer wieder an die Uni zurück und erzählen, dass sie dort die besten Jahre ihres Lebens erlebt haben. Es ist schwer zu beschreiben, wenn man es nicht selbst erlebt hat.

Hatten Sie in der Zeit eigentlich weibliche Vorbilder, oder waren das eher NHL-Stars?

Eisenschmid: Ich habe leider keine Frauen als Vorbilder gehabt, was schade ist. Ich glaube, dass sich das gerade so ein wenig ändert und die jüngeren Mädels jetzt auch Frauen nacheifern. Ich bin ja Verteidigerin und mein großes Vorbild hieß immer Nicklas Lidström. Es gibt so viele tolle Verteidiger, aber er war der Beste für mich.

Zwei Ihrer großen Karriere-Highlights bis jetzt waren die U18-WM in den USA und die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi. Wie erinnern Sie sich daran?

Eisenschmid: Die U18-WM war mein erstes großes Turnier, dazu noch in den USA. Als wir dann in Chicago auch noch Finnland nach Verlängerung 2:1 rausgehauen haben, war das einfach der Hammer. Da hat wirklich alles gepasst. Und Sotschi war auch sehr speziell. Ich sehe mich noch bei der Eröffnungsfeier im Stadion sitzen. Oder wie einmal Alex Ovechkin zwei Tische weiter beim Essen saß. Oder wie wir einmal Sidney Crosby kennengelernt haben, als wir zum Stadion gelaufen sind. Den haben wir einfach angequatscht und er war total nett. Das sind alles Momente, die ich nie vergessen werde.

Tanja Eisenschmid über den Boykott: "Es muss sich dringend etwas ändern"

Im vergangenen Jahr haben Sie für die Minnesota Whitecaps in der National Women's Hockey League gespielt und sind sogar Meister geworden. Allerdings hat die Profiliga nur ganze fünf Teams. Was war das für eine Erfahrung?

Eisenschmid: Ich hatte davor schon zwei Jahre für die Whitecaps gespielt, als ich meinen Master in Communications gemacht habe. Da haben wir aber noch nicht zur Liga gehört und einfach so gespielt. Als ich dann die vielleicht ja einmalige Chance erhielt, in der NWHL zu spielen, habe ich sie wahrgenommen. Wir hatten zwar nur eine sehr kleine Halle, aber alle Spiele waren mit 1200 Zuschauern ausverkauft. Und es wären mehr gekommen, wenn es mehr Plätze gegeben hätte. Es war insgesamt eine gute Erfahrung, aber es muss sich sehr viel tun, damit die Liga wirklich wachsen kann. Das professionellste, was es im Frauen-Eishockey gibt, ist College-Eishockey. Das muss man so klar sagen.

Deshalb haben jetzt auch über 200 Spielerinnen, darunter auch Sie, einen Boykott angekündigt. Was sind die Hintergründe dafür?

Eisenschmid: Nachdem sich die kanadische Profiliga CWHL aufgelöst hatte, mussten wir uns etwas überlegen, um Frauen-Eishockey voranzubringen. So kann es nicht weitergehen. So ist der Entschluss gereift, dass wir nicht mehr spielen werden, bis wir bessere Konditionen und Rahmenbedingungen bekommen.

Es ist die Rede davon, dass die Frauen zum Teil nur lächerliche 2000 Dollar Gehalt pro Saison bekommen.

Eisenschmid: Das Minimumgehalt beträgt 2000 Dollar pro Saison. Es ist mehr eine Art Taschengeld, alle Mitspielerinnen von mir hatten nebenher einen Job, weil du alleine vom Eishockey nicht leben kannst. Es kann aber nicht sein, dass Frauen in einer Profiliga spielen und trotzdem nebenher noch 40 Stunden arbeiten müssen. Daran muss sich dringend etwas ändern, wenn wir uns im Frauen-Eishockey professionell aufstellen wollen.

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