Das Strahlen im Gesicht von Connor McDavid gab es am vergangenen Mittwoch gegen die Colorado Avalanche zwar erst spät zu bewundern, es verdeutliche allerdings einmal mehr etwas, an das nur die wenigsten Fans vor Saisonbeginn geglaubt hatten: Mit den Edmonton Oilers ist in diesem Jahr zu rechnen.
Die düstere Vergangenheit, die die so Eishockey-begeisterten Anhänger durchstehen mussten, scheint vorüber. Wobei düster noch untertrieben ist.
In den letzten zehn Jahren verbuchte das Team aus Alberta keine einzige Playoff-Teilnahme. NHL-Negativrekord. Doch damit nicht genug. Außerdem stellten die Oilers in diesem Zeitraum die Mannschaft mit den wenigsten Siegen, der geringsten Punkteausbeute und dem schlechtesten Torverhältnis.
Siege verbuchten die Oilers lediglich in den Draft-Lotterien. Doch schlechtes Management konnte diese im Anschluss nicht in Erfolge auf dem Eis ummünzen. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die Nummer-eins-Picks Taylor Hall, Ryan Nugent-Hopkins und Nail Yakupov wirklich darauf gefreut haben, für die Oilers ihre Schlittschuhe schnüren zu dürfen.
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Der Kurswechsel
Langsam aber sicher wurde deshalb auch den Verantwortlichen klar, dass lediglich ein Kurswechsel die einzige Option sein konnte - und zwar einer auf mehreren Ebenen innerhalb der Franchise.
Im Frühling des letzten Jahres traten General Manager Peter Chiarelli und Chef-Trainer Todd McLellan ihren Dienst an und hatten somit auch beim 2015er-Draft das Sagen. Ein weiterer Nummer-eins-Pick stand an, eine weitere erfolglose Spielzeit folgte. Aber: Diesmal war es kein weiteres Jahr des Missmanagements. Es handelte es sich wirklich um ein Übergangsjahr, ein Jahr des Rebuilds.
Die beiden neuen Bosse trafen zum Teil mutige, aber im Nachhinein richtige Entscheidungen. Sinnbildlich dafür steht der Trade von Taylor Hall diesen Sommer. Weil sowohl Nugent-Hopkins als auch Yakupov, der mittlerweile auch getradet wurde, und eben Hall Stürmer sind, stellte sich die logische Frage: Was ist eigentlich mit der Defensive los? Gesagt, getan. Chiarelli, der die Boston Bruins einst zum Stanley Cup managte, schickte seinen Punktelieferanten zu den Devils. Im Gegenzug kam mit Adam Larsson einer der vielversprechendsten Verteidiger und mit 24 Jahren ein junger Spieler nach Edmonton.
Jung ist nicht das einzige Stichwort, auch gut fällt immer öfter. Das beweisen die Oilers derzeit eindrucksvoll. Gleich sieben Spieler im Kader des Teams sind 22 Jahre oder gar noch jünger. Die Älteren? Gar nicht mal so viel älter. Doch manchmal scheint es so, als seien sie das. Mit 25 Punkten führt Edmonton die Pacific Division an und ist nach einem Viertel der Saison auf Playoff-Kurs. Die Fans sind erwartungsvoll wie lange nicht mehr.
Die neuen Oilers
Von kurzer Dauer scheint der Trend dabei nicht zu sein. Das Team wirkt gefestigt und ist offenbar in der Lage, Spiele zu gewinnen, in denen es sich in den letzten Jahren noch ergeben hätte. Bestes Beispiel dafür ist etwa der Sieg über die New York Islanders am 5. November. Mit 0:2 lagen die Oilers hinten, zwei Spieler hatten sich im ersten Drittel verletzt. Trotzdem erzwang Edmonton das Shootout und am Ende stand ein 4:3-Sieg auf dem Scoreboard.
Die neuen Oilers haben sich natürlich schon in der Liga bemerkbar gemacht. Mike Sullivan, Coach des Stanley-Cup-Champions aus Pittsburgh, ist nur einer von vielen Trainern, die das dynamische, körperbetonte, gut strukturierte und hart zu spielende Team in den letzten Wochen lobten. "Sie spielen ein schnelles Spiel - sie spielen einen ähnlich Spielstil wie wir das tun. Sie fangen an, die Kurve zu kriegen. Sie sind momentan ein richtig gutes Team", stellte der Pens-Coach, der auch nur knapp gegen die Truppe aus Kanada gewinnen konnte, voller Respekt in der National Post fest.
Die derzeitige Erfolgswelle geht natürlich auch an den Spielern nicht spurlos vorbei. Der langjährige Oilers-Stürmer Jordan Eberle und Leon Draisaitl, der endgültig seinen Durchbruch geschafft hat, strotzen nur so vor Selbstvertrauen. Der Kanadier gab in der National Post zu Protokoll: "Wir sind einfach ein besseres Team als noch in den Jahren zuvor." Und auch der 21-jährige Deutsche schlägt ähnliche Töne an: "Es ist so ein anderes Gefühl im Vergleich zum letzten Jahr, jetzt werden wir als eines der besten Teams der Liga wahrgenommen. Wir wollen, dass es so weitergeht. Wir haben das Verlieren hier satt."
Der nächste Gretzky?
Edmonton präsentiert derzeit zweifellos ein gefestigtes, junges, hungriges und gleichzeitig auch sehr talentiertes Team. Und die Oilers präsentieren einen überraschenden Anführer - einen jungen selbstverständlich noch dazu.
Connor McDavid heißt der Bursche, den sie im besagten 2015er-Draft ergattern konnten. Auf ihm Ruhen die Träume und Hoffnungen dieser vom Misserfolg so gebeutelten Franchise. Das Lob für den gerade einmal 19-jährigen Kanadier überschlägt sich. Er gilt als das Talent einer ganzen Generation - Wayne-Gretzky-Vergleiche inklusive. Aber sind diese wirklich angebracht?
Sie sind es! McDavid hat es einfach: das gewisse Etwas. Das, was einen Superstar von einem Franchise-Player unterscheidet. Genau das, was Sidney Crosby derzeit zum wahrscheinlich besten Eishockey-Profi der Welt macht. McDavid entscheidet Spiele und trägt sein Team. Und das im Alter von nur 19 Jahren.
Doch was genau zeichnet das Spiel des Centers aus? Zum einen sind es natürlich sein irres Tempo auf dem Eis und seine wahnsinnigen Stick-Skills. Bob Nicholson, Vize-Präsident der Oilers Entertainment Group, schwärmt in den höchsten Tönen: "Er macht alles so schnell - nicht bloß mit seinen Füßen, es sind seine Hände -, man benötigt dafür einen Bildschirm, um es sich immer wieder genau anschauen zu können. Bobby Orr war so. Connor hat ein bisschen Wayne in sich. Er weiß, wo der Puck hinkommt."
Vielseitigkeit als Stärke
McDavid kann Tore erzaubern, aber er erkämpft sie sich auch. Er weiß, wo er stehen muss. Sein erster NHL-Hattrick gegen die Dallas Stars vergangene Woche war kein schöner: Ein Tor war eigentlich ein Eigentor von John Klingberg und die weiteren beiden Treffer erzielte er schmutzig als Abstauber.
Doch es geht nicht nur um die Art der Tore, sondern auch der Zeitpunkt ist eminent wichtig.
Als McDavid in seiner Rookie-Saison nach einer dreimonatigen Verletzungspause seinen Schlüsselbeinbruch auskuriert hatte, feierte er am 2. Februar sein Comeback gegen die Blue Jackets.
Und was für eines. Er lieferte zwei Assists und schoss dieses Tor, das die Frage, ob er jemals zurückkommen werde oder nicht, im Keim ersticken ließ. Gleich drei Columbus-Verteidiger ließ der dynamische Center unnachahmlich wie Statisten stehen. Auch der Goalie hatte bei dem unglaublichen Stick-Handling keine Chance. Ein wichtiges Tor zur richtigen Zeit. McDavid brachte sein Team mit diesem 2:1-Führungstreffer auf die Siegerstraße. Und sich selbst wieder aufs Eis.
Das Team ist abhängig
Dass das Supertalent unlängst mit 19 Jahren und 266 Tagen zum jüngsten NHL-Kapitän aller Zeiten aufgestiegen ist, scheint angesichts seiner Leitungen nur folgerichtig. Derzeit führt er die Liga nach Punkten und Assists an. Was gibt es da noch schlechtes zu sagen? Abhängigkeit.
In dieser Saison hatte McDavid eine für ihn äußerst ungewöhnliche Torflaute. Über den halben November konnte er in zehn Spielen in Folge den Puck nicht im Netz unterbringen. Die Oilers schwächelten gewaltig und verloren gleich sieben dieser zehn Spiele - inklusive fünf Niederlagen in Serie.
Und das, obwohl es neben McDavid noch andere zuverlässige Scorer im Ensemble gibt. Auch Draisaitl spielt derzeit eine richtig gute Rolle und überzeugt als zweitbester Scorer des Teams zusammen mit Eberle. Und das, obwohl der Deutsche auf dem Papier nur der dritte Center hinter McDavid und Nugent-Hopkins ist. Dennoch steht er seinem Kapitän im Powerplay als Flügelstürmer zur Seite und traf so in den letzten beiden Spielen dreifach.
Der Trend der Jugend
McDavid ist aber nicht nur das Gesicht der Oilers, sondern auch das einer neuen Generation. Crosby, Evgeni Malkin und Alexander Ovechkin gehören mittlerweile zur alten Garde und müssen auf lange Sicht Platz machen.
Die Liste der jungen Spieler ist lang und sie wird immer länger. Die NHL hat definitiv kein Nachwuchsproblem und die Oilers stehen sinnbildlich für den bevorstehenden Wandel. Vielleicht sogar für die nächsten zehn Jahre?
Connor McDavid im Steckbrief