SPOX: Herr Assia, wie viele Stunden haben Sie heute schon FIFA gespielt?
Kevin Assia: Heute war es eine Stunde, aber generell variiert das von Tag zu Tag. Manchmal habe ich einfach keine Lust auf FIFA und spiele Call of Duty. Aber meistens spiele ich natürlich FIFA, durchschnittlich sind es so ein bis zwei Stunden täglich. Wenn ich mal ein Formtief habe, nehme ich mir einfach eine Auszeit und spiele eine Woche weniger. Das empfehle ich jedem. Wenn man dann wieder anfängt, hat man automatisch mehr Spaß.
FIFA-Geheimtipps vom Profi: Diese Spieler brauchst du in deinem Team
SPOX: Das hält sich ja in Grenzen. Spielen Sie überhaupt noch gegen Freunde oder haben da beide Seiten zu wenig Spaß dran?
Assia: Hauptsächlich spiele ich gegen meine Teamkollegen, weil die eher auf meinem Niveau sind. Nur so kann ich mich stetig verbessern. Wenn am Wochenende ein Freund vorbei kommt, spielen wir auch mal FIFA. Da ist der Leistungsunterschied aber groß. (lacht)
SPOX: Wo genau liegt der größte Unterschied zum Hobby-Spieler?
Assia: Profis haben eine gute Abwehr. Die meisten Hobby-Spieler haben in der Verteidigung Probleme und ziehen die Innenverteidiger zu früh raus. Ich persönlich gewinne meine Spiele in der Defensive.
SPOX: Obwohl es aussichtslos ist, wollen sich viele Hobby-Spieler mit den Besten der Welt messen. Wie kann man sich nach oben kämpfen?
Assia: Wir professionellen Spieler sind ein eingeschworener Kreis. Bei den Offline-Turnieren entstehen Freundschaften und es ist deshalb nicht so einfach, von außen dazu zu stoßen. Es gibt beispielsweise täglich Turniere, an denen Hobby-Spieler gar nicht teilnehmen können. Für Hobby-Spieler sollte die ESL (E-Sport-Liga, d. Red.) die erste Anlaufstelle sein. Wenn man dort Erfolge einfährt, kann man sich steigern. Wer sich online beweist, wird offline eingeladen.
SPOX: Sie haben es nach oben geschafft. Was hat sich für Sie verändert, seitdem Sie FIFA professionell spielen?
Assia: Man kann das mit den Fußballprofis vergleichen. Ich habe beispielsweise einen Manager, der sich um das Marketing, die Turnierteilnahmen und Sponsoren kümmert.
SPOX: Wie lange braucht man, um sich dieses Netzwerk aufzubauen?
Assia: Wenn man gute Leistung zeigt, geht das schnell. Ich habe mit FIFA 12 angefangen und mich ein Jahr später über Offline-Turniere für die Virtuelle Bundesliga qualifiziert. Mein Glück war, dass ich diese direkt im ersten Anlauf gewonnen habe - das ist bis heute mein größter Titel. Nach so einem Erfolg kommen die Sponsoren und Teams von alleine.
SPOX: Seitdem sind Sie in einem Team aktiv. Wie läuft der Team-Alltag ab?
Assia: Wir sind vier Spieler, die gemeinsam trainieren und teilweise auf den gleichen Turnieren unterwegs sind. Aber es gibt bei FIFA 16 keine expliziten Team-Turniere mehr. Deshalb konzentrieren wir uns auf unsere Trainings-Sessions, in denen wir zum Beispiel explizit Standards einstudieren. Außerdem nehmen wir unsere Spiele auf und analysieren uns im Anschluss gegenseitig.
SPOX: Passen Sie anhand dieser Analysen Ihre individuelle Taktik an?
Assia: Ich habe keine individuelle Taktik, aber ich gebe meinen Spielern schon gewisse Anweisungen. Meine Außenverteidiger sollen bei eigenen Angriffen zum Beispiel hinten bleiben. Solche Anweisungen machen in etwa zehn Prozent aus, aber genau diese Kleinigkeiten machen auf dem Niveau den Unterschied.
SPOX: Gehört zu diesen entscheidenden Nuancen auch das Einbinden von Tricks?
Assia: Absolut, ich persönlich trickse sehr viel - am liebsten mache ich den Übersteiger. Das kam aber erst bei FIFA 15 und FIFA 16, weil man - verglichen mit den älteren Versionen - mehr tricksen muss. Entscheidend ist, dass man den Gegner ins Leere schickt und mit einem gut getimten Trick sorgt man für einen Überraschungsmoment.
SPOX: Dementsprechend brauchen Sie technisch versierte Spieler. Welches Team wählen Sie im Normalfall?
Assia: Da ich am liebsten Cristiano Ronaldo steuere, nehme ich fast immer Real Madrid und mit dieser Wahl bin nicht alleine. (lacht) Hin und wieder spiele ich aber auch mit Bayern München, weil die Bayern eine starke Defensive haben.
SPOX: Stichwort Abwehr: Letztes Jahr hat ein Teilnehmer Thomas Müller als Linksverteidiger aufgestellt. Können Sie uns das erklären?
Assia: Also, ich persönlich stelle die Spieler so auf, wie sie auch in der Realität spielen. Aber es gibt auch FIFA-User, die ihre Aufstellung rein nach den Attributen der Spieler wählen. Thomas Müller ist so gesehen ein guter Linksverteidiger, weil er groß, schnell und robust ist.
SPOX: Neben einzelnen Attributen ist auch die Team-Taktik nicht unwesentlich. In welchem System schicken Sie Ihr Team auf den virtuellen Rasen?
Assia: Meine Lieblingsformation ist ganz klar die enge Route, also das 4-1-2-1-2. Normalerweise bleibe ich meinem System während eines Matches treu, aber wenn das Spiel auf der Kippe steht, stelle ich oft auf ein 4-2-3-1 um. Damit steht man kompakt und kann vielleicht noch den entscheidenden Konter setzen. Ich bin davon überzeugt, dass der Erfolg zu 60 Prozent vom System abhängt.
SPOX: Gibt es Systeme, die im professionellen Bereich gar nicht zum Einsatz kommen?
Assia: Ja, mit Dreierkette wird man im professionellen Bereich im Normalfall abgeschossen. Fünferkette spielt auch niemand, weil man damit automatisch hinten reingedrückt wird und das Spiel nicht selbst gestalten kann.