Pöbelfreie Zone Stadion?

Von Max-Jacob Ost
Die Atmosphäre in Fußballstadien ist heute weder frei von Jugend noch jugendfrei
© Getty

Fußball und Emotionen gehören zusammen. Doch sind die Emotionen im Rahmen des Hochglanzprodukts Bundesliga noch selbstbestimmt und echt? Und nehmen sich die Fans nicht vielleicht einfach zu wichtig? Während in Gladbach die Nationalmannschaft ausgepfiffen wurde, haben sich die Blogger so ihre Gedanken dazu gemacht. Die SPOX-Blogschau.

Cookie-Einstellungen

 

Die Geister, die der Fußball rief

"Ein Fußballspiel braucht keine Zuschauer. Auch ohne Fans, ohne gefüllte Ränge im Stadion findet das Spiel statt, balgen sich Spieler um den Ball und kämpfen ums entscheidende Tor. Das Ziel einer Fußballmannschaft ist einzig der Gewinn der laufenden Partie, nie aber die Unterhaltung der Zuschauer. Das Publikum ist weder maßgeblich, noch direkt involviert, ist nur Randerscheinung, aber nicht Teil des Ganzen.

Problematisch wird es dann, wenn den Zuschauern aber genau das suggeriert wird. Der vielbeschworene zwölfte Mann setzt angeblich viele Kräfte bei der eigenen Mannschaft frei. Der Fan ist sich seiner Macht längst bewusst. Immer häufiger äußert sich sein Unmut in Protestaktionen wie kollektivem Schweigen oder dem demonstrativen Rückenzukehren zum Geschehen auf dem Rasen.

Die Inszenierung des Fußballs als Event, aus marketingstrategischen und finanziellen Aspekten von den Verantwortlichen angefeuert, hat den Zuschauer längst vom Beobachter an der Peripherie zum Mittelpunkt werden lassen. Hier bin ich, unterhaltet mich, scheint er den Kickern zuzurufen, dabei vergessend, dass der Auftrag der 22 Spieler ein ganz anderer ist - das Spiel zu gewinnen. Die Spieler selbst beschweren sich über die irrige Erwartungshaltung, ohne sich ihrer eigenen Fremdinszenierung zu erwehren. Sie gefallen sich in eitler Pose, gockeln wie Popstars gestylt durch die Medienlandschaft und lassen sich zu Animateuren auf dem Traumschiff "Bundesliga" vermarkten."

Stadion-Wurst: Monsters of Rock

 

"Der Fußballsport schien noch eine der letzten Bastionen ungezügelter Leidenschaft zu sein, bei der man fluchen, andere beschimpfen und sogar rauchen durfte. Darf man jetzt auch nicht mehr überall. Da lobe ich mir die Politik des Uli Hoeness, der angesprochen auf das nicht vorhandene Rauchverbot in der Münchner Arena entgegnet, dass es ja schon ausreichend Verbote in diesem Land gäbe und es nicht nötig sei, ein weiteres hinzuzufügen. Doch gerade der Fußball, die Oper des kleinen Mannes, muss den  - ganz plakativ ausgedrückt - Mächtigen in seiner herkömmlichen Erscheinung ein Dorn im Auge sein. Hier gibt es eigene Regeln und traditionelle Verhaltensweisen, die abseits der gesellschaftlich geduldeten Spielregeln einen fast rebellischen Charakter haben - und das immer noch, aller Kommerzialisierung zum Trotz.

Profifußball ist längst kein Proletariatsvergnügen mehr - heute werden in Logen und auf Tribünen Geschäftstreffen arrangiert. Das Ligaspiel als Rahmenprogramm und Bonbon für den, den es zu becircen gilt. Aber es gibt sie noch, die schimpfenden und tobenden Familienväter, die nervös gerauchten Glimmstengel in der Masse. Es gibt sie noch, die Wut, die sich Platz schaffen will - in einem Spiel, das von all dem Frust über Alltag, Normalität und Alltagssorgen ablenkt - gerade mal neunzig Minuten lang."

FernglasFCB: Ist doch nur Fußball

 

Ulis voller Terminkalender

"Mittlerweile ist das ja schon ein Evergreen. Die Länderspiele liegen immer ungünstig und behindern die Arbeit der Klubmannschaften. Der Termin Mitte August ist ganz furchtbar, denn das ist ja direkt nach dem Saisonstart. Zum Anfang des Septembers hätte man lieber die Spieler beisammen, damit sich die Mannschaft mit den kurz vor dem Ende der Transferperiode geholten Neuzugängen einspielen kann (selber Schuld). Im Oktober dann haben sich die Mannschaften gerade eingespielt, da werden sie wieder für zwei Wochen auseinandergerissen. Auch nicht optimal. Gegen den November hat komischerweise kaum jemand etwas, obwohl hier zumeist die sinnlosen Spiele stattgefunden haben. Anfang Februar: Siehe September. Ende März: Siehe Oktober."

Abenteuer Fußball: Falsche Vorstellungen


Schalker Farbenlehre

"Tatsächlich sind natürlich nur Blau und Weiß unsere Fußballfarben, Königsblau und Weiß wie der Schnee. Da ist alles andere fehl am Platz. Aber ein Ausweichtrikot braucht es nun mal, eben um gegen Clubs wie den MSV Duisburg spielen zu können, dessen Trikot sowohl Blau, als auch Weiß ist. Schalke 04 hatte schwarze Trikots, Schalke spielte in Grün, in Rot, in Gelb und in Orangefarben. Auch alles falsch. Auch alles ohne Tradition und ohne Sinn. Was ist nun an diesem Magentadingsbums falscher, traditionsloser, sinnloser?

Diese Farbe wird als "Mädchenfarbe" erachtet. Deshalb titelt Bild "Königsfrau statt Königsblau" und deshalb gab es unzählige Tweets, in denen diese Farbe spöttisch als "süß" bezeichnet wurde. 2011. Männer gehen selbstverständlich in rosafarbenen Hemden ins Büro. Fast jeder Club berichtete schon mit einem gewissen Stolz über "schwule Fanclubs", man ist ja ach so offen. Schwule Fußballer sollten sich doch outen, man müsse ja mal einen Anfang machen. Und dann führt eine Farbe, weil sie vorwiegend von Frauen getragen wird, zu Hohn und Spott. Erstaunlich."

Königsblog: Pretty in Pink

 

Was steckt hinter den schönen Worten?

"Nein, es gehört tatsächlich nicht zuvorderst zu den Aufgaben des DFB, sich gegen Depressionen zu engagieren, sie zu entstigmatisieren und die Betroffenen zu unterstützen. Überhaupt nicht. Wenn man sich aber derart aufspielt wie geschehen, um dann im Kleinen eben doch nur die Hände in den Schoss zu legen, ist das nichts als schändliche Augenwischerei.

Traurig, dass der DFB die Chance verpasst hat, einen der seinen adäquat zu unterstützen. Positiv, dass sich Andreas Biermann zum Schritt an die Öffentlichkeit entschieden hat."

Trainer Baade: Axt Andreas und die Freunde fürs Leben

 

Das erste Stadion-Tor seit 37 Jahren

"Opa, Schirmmütze auf dem Kopf, macht einen zufriedenen Eindruck, findet die Gangart der Australier aber etwas zu hart, da müsste der Schiedsrichter mal etwas durchgreifen. Nach 26 Minuten sieht er sein erstes Tor seit fast 37 Jahren. Auf Uli Hoeneß folgt Mario Gómez. Ich sehe Opa vermutlich das erste Mal außerhalb seiner eigenen vier Wände klatschen. Und das, obwohl niemand ein Weihnachtsgedicht aufgesagt oder Blockflöte gespielt hat.

Und, Opa, wie gefällt's dir? "Es ist ja toll, wie nah man dran ist", sagt er. "Das sind mal ganz andere Perspektiven als im Fernsehen. Man kann hinschauen, wo man will." Der Sitz? "Bequem." Die Akustik? "Sehr gut." Ein Alt? "Nein, danke." Letzteres verwundert mich dann doch."

Entscheidend is auf'm Platz: Deutschland - Australien: Opa erzählt von früher

 

Eintracht Frankfurt: So gut wie in der Champions League

"Christoph Daum und sein Assistent Roland Koch sind auf dem Platz omnipräsent, leiten an, unterbrechen, korrigieren und loben unentwegt. An oberster Stelle steht, der Mannschaft das nicht mehr vorhandene Selbstvertrauen zurückzugeben um in die entscheidenen Spiele der nächsten Wochen mit breiter Brust reinzugehen.

Zumindest in den Übungsstunden scheint dies zu funktionieren. Die Spieler wirken motivierter als in den vergangenen Wochen und strotzen nur so von Tatendrang. Das freut das Umfeld, das in den letzten Monaten unter Skibbe ständig das forderten, was Daum nun auf dem Platz umsetzt: Engagement, Kampf und neue Spielansätze. Was das alles wert ist, wissen wir dann spätestens am kommenden Sonntag, wenn die Eintracht beim Deutschen Meister von 2009 antreten muss, der fast zeitgleich mit der Eintracht einen vermeintlichen Messias als Hütchenaufsteller engagierte bzw. zurückholte.

Da wundert es nicht, dass man sowohl in Wolfsburg als auch in Frankfurt nach dem Trainerwechsel den Abstiegskampf ausblendet, und sich zu Höherem berufen fühlt. So bleibt im Stadtwald nicht das Abstiegsgespenst der größte Feind von Heribert Bruchhagen, sondern die Überheblichkeit des Umfelds, das just nach Daums Amtseinführung wieder anfing von Europa zu träumen."

Stadtwaldgebabbel: Pulver im Kaffee

 

Was man außerdem unbedingt lesen sollte

Wer etwas zu Frauen und Fußball im Iran erfahren möchte, ist im Blog Textilvergehen wie üblich hervorragendst aufgehoben. Und wer etwas zu den taktischen Abläufen von Deutschland - Australien und Türkei - Österreich wissen möchte, sollte sich unbedingt unter die Fittiche von Ballverliebt und dem Taktikguru begeben. Wobei vor allem die österreichische Überschrift einfach nicht frei von Charme ist: "Erst zu feig, dann zu harmlos". Hach. Zuguterletzt noch ein Aufruf: Wer diesen schicken Blogger dabei begleiten möchte, wie er in 31 Tagen 31 europäische Fußballspiele besucht, sollte sich hier mal melden. Tut es!

Die nächste Blogschau erscheint in einer Woche, am Mittwoch, den 07. April.

Alle früheren Ausgaben findet Ihr im Blogschau-Archiv oder unter https://www.spox.com/blogschau

Außerdem könnt Ihr kostenlos den RSS-Feed der SPOX-Blogschau abonnieren: https://www.spox.com/pub/rss/blogschau.xml

Hinweise auf neue Blogs oder interessante Artikel sind jederzeit willkommen. Fühlt Euch frei, mir Tipps als Nachricht zukommen zu lassen. Hier geht's zum Profil. Das Beste der SPOX-Blogs findet Ihr wie immer bei mySPOX und Blogs@SPOX.

Artikel und Videos zum Thema