Das war sie also, die Saison 2009/2010. Seit Samstag, 17:21 Uhr sind die vergangen 34 Spieltage nichts mehr als Erinnerungen. Und was mit Erinnerungen im Nachhinein passiert, kann man jeden Sonntagmorgen im Doppelpass sehen, wenn Udo Lattek mit Tränen in den Augen von der taktischen Innovation des Liberos referiert und Dinge sagt wie: "Ich als Trainer würde zu Carlos Eduardo sagen: Junge, bleib einfach vorne stehen und mach deine Dinger. Hinten hab ich drei Jungs in der Abwehrkette, die bolzen die Pille schon irgendwie in deine Richtung." (Um das Bild zu komplettieren, muss man sich Ralf Rangnick gegenüber von Udo im roten Sessel vorstellen: Verzweifelnder schnappatmend als ein in die Sahara gebeamter Kabeljau.)
Ihr wisst, was ich meine. Jetzt im Nachhinein glaubt man, dass der Effzeh doch Spiele abgeliefert hat, für die er nicht vor dem Menschengerichtshof angeklagt werden müsste. Oder dass Schalke wirklich nur wegen einer Schiedsrichterentscheidung in der ersten Halbzeit, wenige Minuten später zweimal so große Lecks in der eigenen Abwehr hatte, dass schon erste Stahlkuppeln aus dem Golf von Mexico nach Gelsenkirchen transportiert werden sollten (An dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Gruß an Felix Magath - Sie haben die Blogschau bereichert!). Oder dass Jens Lehmann im Grunde eine sportlich und menschlich tadellose Saison abgeliefert hat. Lauter so Sachen eben.
Wie gut, dass man nicht auf die eigenen Lattek-Kräfte (extremes Verklären der Vergangenheit) angewiesen ist. Denn irgendwo da draußen hinter dieser Wand mit dem Matthäus-Bild an der Dartscheibe tummeln sich genügend Blogger, die sich an einen fundierten Rückblick wagen. Viele davon sogar verdammt realistisch. Diese Gutmenschen! Es folgen deshalb ein paar Eindrücke der Fußballblogger im Lande. Ohne satirisches Zwischengefunke von mir. Ist nämlich gar nicht so wichtig. Denn nächsten Mittwoch, wenn ihr euch an diese Blogschau erinnert, war sie sowieso besser als die Neue. Ein kleiner Lattek steckt in jedem von uns...
Leverkusen: Im Aufstieg an die Spitze Europas
"Viele Perspektivspieler sind inzwischen mehr als Perspektivspieler, die sich nicht nur in der Bundesliga präsentieren wollen, sondern auch in Europa. René Adler, Simon Rolfes, Stefan Kießling oder Patrick Helmes sind Namen, die auch für viele andere Vereine interessant sind. So kann sich der Verein, samt seiner Spieler nun immer weiter zu einem der Top-Clubs der Liga entwickeln. Hoffe ich."
Catenaccio: Zwei Jahre kein Europa
Stuttgart: Jens L. hat sich bemüht
"Jens war in seinem letzten Jahr noch einmal ein Vorbild in Sachen Motivation und Engagement. Seine in aller Regel überdurchschnittlichen Leistungen wurden indes durch regelmäßige Disziplinlosigkeiten erneut ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Er legte sich mit Kleineren an und ging zum wiederholten Male sorglos mit fremdem Eigentum um. Im Sport zog ein Verstoß gegen Spielregeln einen mehrwöchigen Verweis nach sich. Die Altersgrenze für "Jugend trainiert für Olympia" hat er überschritten. Nach dem Abschluss wird er im Medienbereich tätig sein."
Angedacht: Verbalbeurteilungen 2010
Bayern: Was soll die ganze Sympathie?
"Der Wert auf der Sympathieskala schlägt nach oben, so wie die derzeitigen Börsenkurse nach unten - erdrutschartig! Und Uli Hoeneß wird langsam nervös. Wenn uns plötzlich jeder leiden mag, dann haben wir ein Image-Problem! Hey, wir wollen gehasst und beneidet werden. Allzu viel Harmonie beschädigt die Marke FC Bayern. Die Leute sollen sich an uns reiben, die Geister sollen sich scheiden, die Meinungen auseinander gehen. Irgendwie spielen alle verrückt in diesem Frühjahr 2010. Das ist ja fast so abwegig, als würde die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft mit den großen Eishockey-Nationen mithalten können."
Fernglas FCB: Das Licht im Dunkel dieses Frühjahrs
Bochum: Die todmüden Augen des VfL
"Der ehemals sympathischste Klub der Welt hat es in ganz kurzer Zeit geschafft, sich selbst komplett in der Außendarstellung zu ruinieren (wie ich es leider nicht nur in Gesprächen auf meinen Abenden in ganz Deutschland zu hören bekomme). Am Samstag herrschte schließlich Sprachlosigkeit im Stadion - und im Fernsehen sah man die todmüden Augen des VfL. Es wird vielleicht der Moment kommen, an dem man sich in Bochum an die vitalen Tagen der Macht zurück sehnt. Denn der "Stolz" seit 1971 nicht den Weg einiger Traditionsvereine gegangen zu sein, scheint man uns nun auch noch nehmen zu wollen."
Scudetto: Sprachlosigkeit
Mainz: Tuchel vor van Gaal und Magath!
"Mainz hat eine überragende Saison gespielt. Van Gaal hin, Magath her, Thomas Tuchel ist Trainer der Jahres. Als Neuling mit einem Aufsteiger taktisch so ausgefuchst zu agieren, Favoriten zu Hause reihenweise aufs Kreuz zu legen und dann noch ahnsehnlichen Fußball mit Herz und Hirn zu spielen, ist sensationell. Eine echte Bereicherung, alles andere als ein niedlicher Exot, dieser Karnevalsverein."
Volk ohne Raumdeckung: Saisonrückblick - Die Nachlese zum Nachlesen
Effzeh: Eine echte Bereicherung!
"Ganz besonders bedanken möchten wir uns an dieser Stelle übrigens beim allseits geliebten Effzeh, dessen stets schillernde und regelmäßig euphorisierte, von hemmungslosem Offensivdrang geprägte Galaauftritte dieser sonst eher tristen Saison den einzigen Glanz verliehen haben. Schade nur, dass der Club aus Nürnberg diesen subtilen Sex Appeal nicht verinnerlicht und Soldos heißblütigen Geißböcken die verdiente Anerkennung vorenthalten hat. Denn ein 0:0 wäre für den Effzeh bereits das achte dieser Saison und damit als neue Bundesligabestmarke ein absolut würdiger Saisonabschluss gewesen. Leider bleibt es aber beim Konjunktiv und wir stellen ganz indikativisch fest: Der Effzeh 09/10 war eine echte Bereicherung. Und da der Effzeh-Fan gemeinhin ein eher gespaltenes Verhältnis zur Realität hat, fügen wir vorsichtshalber in klassischem Sendung-mit-der-Maus-Outro fest: Das war - Sarkasmus!"
Voegi: Liga-Lehren XXXIV
Hannover: Nichtabstiegs-Autokorso in Chile
"Dieser Nichtabstieg war für Spieler und Fans der Roten eine sichtbare Befreiung. Eine schwere Saison wurde glücklich abgeschlossen. Die über allem liegende Trauer um Robert Enke wird fortan keine lähmende Last mehr sein, sondern ist zu einem identitätsstiftendem Moment von 96 geworden. Die Slomka-Elf hat es jedenfalls geschafft, sich aus der Krise zu ziehen, deshalb feierte sie mit der Anhängerschaft den an sich mageren 15. Platz wie eine Meisterschaft. Nach dem Spiel teilte auch ich per Ein-Auto-Jubelkarawane und Hupkonzert der chilenischen Provinzhauptstadt die frohe Kunde aus Deutschland mit. An der Plaza Peru blickten die Kneipengäste verwundert auf meinen Wagen und der Parque Ecuador versank wenig später im schwarz-weiß-grünem Fahnenmeer, das aus meiner Fahne bestand. Interesse für den Trubel zeigten die anderen Parkbesucher nicht."
Fußball von unten: Das Finale von Bochum