Er spricht von seinen Anfängen in offenen Fußballstadien und als Teamkollege von Hasan Salihamidzic, erinnert sich an den Meistertitel mit Rapid gegen scheinbar übermächtige Salzburger und erklärt den brisanten Wechsel zur Austria am Ende seiner Karriere.
Herr Bazina, in Österreich sind Sie auch unter dem Namen "Zaubermaus der Bundesliga" bekannt. War Ihnen dieser Spitzname unangenehm?
Mario Bazina: Zugegebenermaßen fand ich es immer ein bisschen komisch. Aber es wirkte auch sympathisch.
Der Name wurde Ihnen aufgrund Ihrer begnadeten Technik am Ball verliehen. Sie erzielten eine Vielzahl an schönen Toren. Mir blieb vor allem ein Fernschuss nach einer 180-Grad-Drehung im Gedächtnis. Können Sie sich an dieses Tor erinnern?
Bazina: Wenn ich heute Videos von mir sehe, kann ich es gar nicht glauben, was mir damals mit dem Ball gelang. Der Treffer wurde später sogar zum Tor des Jahres gewählt, wenn ich mich nicht täusche. Ich war zielstrebig, privilegiert und bekam ein Geschenk vom lieben Gott. So schaffte ich es vermutlich.
Sind Sie heute noch im Fußball aktiv?
Bazina: Ich wohne wieder in meiner Heimat im kroatischen Teil von Bosnien-Herzegowina. Ich besitze die UEFA-Pro-Lizenz und war zuletzt als Co-Trainer beim NK Siroki Brijeg tätig. Es gab die Option, Cheftrainer zu werden, doch den öffentlichen Druck wollte ich meiner Familie nicht antun. Wir haben ein gutes Leben in einer überschaubaren Stadt, das soll auch so bleiben.
Warum haben Sie vergleichsweise früh - im Alter von 33 Jahren - Ihre Karriere beendet?
Bazina: Dieser Schritt war für viele Menschen unverständlich. Aber wissen Sie, ich bin mit 13 Jahren von zuhause ausgezogen. Es war an der Zeit, heimzukehren. Es war richtig, meine Karriere als gesunder Mensch zu beenden. Manche Fußballer verdienen in ihrer Karriere hunderte Millionen und haben schon bald nichts mehr übrig. Ich habe genug verdient, um mit meiner Familie ein angenehmes, normales Leben zu führen.
Mario Bazina: "War nicht üblich, dass Stadien abgesperrt werden"
Wie ist das Leben in Bosnien-Herzegowina während der Corona-Krise?
Bazina: Meine Familie ist glücklicherweise vereint. Mein Sohn studiert eigentlich in Zagreb, reiste aber rechtzeitig zu uns - an ein Studium ist derzeit nicht zu denken. Supermärkte sind auf höchstens fünf Kunden gleichzeitig beschränkt. Die Regelungen sind ja mittlerweile überall fast identisch, nur bei uns kamen sie etwas später. Es hat viele Länder überrascht. Bosnien hat die Maßnahmen aus Kroatien oder Österreich kopiert und die Lage vorerst gut im Griff. Ich fürchte aber, dass die große Explosion an infizierten Fällen uns noch bevorsteht. Die medizinischen Standards hier sind sicherlich nicht so hoch, so ehrlich muss man sein. Hoffentlich geht das schnell vorbei.
Auch an Fußball ist derzeit nicht zu denken. Wie hat Ihre Karriere begonnen?
Bazina: Das Haus meiner Familie ist nur 50 Meter vom Stadion des NK Siroki Brijeg entfernt. In meiner Kindheit diente es uns als Spielplatz - ich verbrachte den ganzen Tag auf dem Rasen. Zu dieser Zeit war es nicht üblich, dass Stadien abgesperrt werden. Es war das Natürlichste auf der Welt, dort Zeit zu verbringen. Schnell kam ich so zu meinem ersten Training beim Verein.
War Ihnen früh klar, dass Sie Profi werden wollen?
Bazina: Es gab kaum eine andere Überlegung. Ich war erstaunt, wie viele Dinge mir gelangen, die andere gar nicht konnten. Später mündete das in zusätzlichem Druck, weil die Erwartungshaltung stieg. Glücklicherweise ist es oft gut gegangen.
Wie ging es weiter?
Bazina: Heute spielt gefühlt jeder, der möchte, in einem Verein. Früher wurden wirklich nur Talente zum Training zugelassen. Es lief so gut, dass ich schon mit 13 Jahren erste Angebote von mehreren Vereinen bekam. Heute scheint das normal, damals war es verrückt. Ich wollte aber nicht allzu weit weg von zuhause.
Deshalb gingen sie zu FK Velez Mostar, nur 20 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt.
Bazina: Es war ein Verein aus der ersten jugoslawischen Liga mit einer der zu diesem Zeitpunkt besten Jugendabteilungen des Landes. Ich spielte mit Hasan Salihamidzic und weiteren späteren Nationalspielern in einem Jahrgang. Die Trainer waren großartig, ich wurde bald zum Kapitän ernannt. Und dann kam der Krieg.
Im Sommer 1992 wechselten Sie in die Jugend von Hajduk Split.
Bazina: Der Spielbetrieb in Bosnien-Herzegowina wurde komplett eingestellt. Siroki Brijeg - und damit auch meine Familie - wurde vom Krieg größtenteils verschont. Die Situation in Mostar sah schon anders aus. Dort herrschte über zwei, drei Jahre Ausnahmezustand. Ich hatte Glück, dass Hajduk Split mich ins Team aufnahm. Dort wurde weitergespielt, die Lage im heutigen Kroatien beruhigte sich etwas früher. Mir gelang sogar ein Schritt nach vorne, zu einem größeren Verein.
Nach drei Jahren wechselten Sie in die kroatische Hauptstadt zu NK Hrvatski Dragovoljac.
Bazina: Dort gelang mir der Durchbruch. Ich schaffte den Übergang vom Jugendfußball in die Kampfmannschaft. 1998 wurde Davor Suker zum sechsten Mal Kroatiens Fußballer des Jahres, ich bekam aber die Auszeichnung für den besten Fußballer der kroatischen Liga. Danach bekam ich ein Angebot von Dinamo Zagreb.
Bazina über GAK-Wechsel: Frankreich-Transfer war schon fix
Dort spielten Sie sich weiter in die Auslage, der GAK verpflichtete Sie im Sommer 2001. Wie kam es zu dem Wechsel?
Bazina: Eigentlich war ein Transfer in die Ligue 1 schon fix. Ich spielte bei Dinamo nicht so oft, wie ich das wollte. Es musste sich etwas ändern. Ich hatte auch ein Angebot aus der Türkei, einigte mich aber mit FC Lorient aus Frankreich. Die Saison musste nur noch fertig gespielt werden. Dann kam plötzlich das Angebot vom GAK.
Wie verlief der erste Kontakt zum GAK?
Bazina: Sie kamen zum kroatischen Cup-Finale, weil sie an meinem Teamkollegen Mario Tokic interessiert waren. Das habe ich noch vor dem Match mitbekommen. Eigentlich haben sie mit Nikola Milinkovic ja schon einen Mann für das offensive Mittelfeld verpflichtet. Aber als sie mich spielen sahen, dürfte ich ihnen positiv aufgefallen sein. Das hat sie überzeugt, mir ein Angebot zu machen. Das war mir deutlich lieber als Lorient. Es war die beste Entscheidung meines Lebens.
Wie groß war der kulturelle Umstieg?
Bazina: Ich sprach zwar noch kein Wort Deutsch, aber meine Frau dafür fließend, weil ihr Vater Deutschlehrer war. Graz war auf einen Schlag wie eine zweite Heimat für meine Familie.
Die erfolgreichste Zeit beim GAK geschah unter Trainer Walter Schachner. Was war sein Erfolgsrezept?
Bazina: Damals war er ein Revolutionär. Er lernte das 4-4-2 aus seiner Zeit in Italien und brachte es uns bei. 99 Prozent der Mannschaften spielten im 3-5-2. Wir hatten mit unserem System immer einen Vorteil. Das haben wir ausgenutzt.