Dass Peter Stöger am Sonntagnachmittag nach Salzburg flog, um dort den kommenden Europa-League-Gegner im Duell mit Rapid Wien zu beobachten, war natürlich begründet. Der BVB-Coach scoutete zusammen mit seinem Co-Trainer Manfred Schmid live vor Ort - in der Hoffnung, Erkenntnisse zu sammeln, die ihm dabei helfen, erstmals in seiner Trainerkarriere in Salzburg zu gewinnen.
Zunächst steht aber das Hinspiel im heimischen Signal Iduna Park an und angesichts der Dortmunder Auf-und-ab-Saison könnte man ketzerisch einwerfen, dass Stöger lieber zu Hause in Nordrhein-Westfalen hätte bleiben sollen. Dort wartet ja schließlich genug Arbeit auf den 51-Jährigen.
Stöger sorgt für defensive Stabilität
Dies ist das Skurrile an der aktuellen sportlichen Situation des BVB: Stöger stand nun in zehn Bundesligaspielen in schwarzgelb an der Seitenlinie, hat noch keines davon verloren (fünf Siege, fünf Remis) und den Startrekord eines Dortmund-Trainers weiter ausgebaut.
Er hat der Mannschaft wieder zu mehr defensiver Stabilität verholfen, nachdem sie unter Vorgänger Peter Bosz reihenweise ins Verderben lief und das aggressive Vorwärtsverteidigen mit Ausnahme des starken Saisonstarts nie stringent auf den Platz bekam.
Stöger fand zudem eine Art Stammelf, die er nur marginal verändert. Abwehrspieler Ömer Toprak, bei Bosz noch einer von vielen formschwachen Sündenböcken, hat unter Stöger beispielsweise noch keine Sekunde gefehlt und seine Leistungen deutlich gesteigert.
Was Stöger aber trotz der positiven Ergebnisse (noch) nicht gelang ist, den spielerischen Anspruch bei einem Verein der Größe Borussia Dortmunds zu erfüllen. Dominanz, Offensivpower, hohe Intensität - all diese Dortmunder Tugenden, zu Zeiten von Jürgen Klopp auch "Vollgasveranstaltungen" genannt, liegen derzeit weitestgehend brach.
Kritik am Dortmund-Spiel
Als Beamtenfußball tat der ansonsten eher zurückhaltende Sportdirektor Michael Zorc die zuletzt mageren Auftritte im EL-Rückspiel gegen Atalanta Bergamo (1:1) und im Heimspiel gegen den FC Augsburg (1:1) ab und auch Stöger kritisierte sein Team für die geringe Gegenwehr und den fehlenden Willen.
Am Wochenende in Leipzig punktete der BVB und zeigte eine verbesserte Leistung, einen Trend kann man daraus und im Prinzip aus der gesamten Amtszeit Stögers nicht ablesen. Zu viele Akteure schleppen einen Rucksack mit sich herum, der sich nach und nach zwar zu entladen scheint, aber dennoch genügend Inhalt hat, um das eigene Potential zu gewissen Prozentteilen auszubremsen.
Die letzten BVB-Spiele im Überblick
Wettbewerb | Begegnung | Ergebnis |
Bundesliga | FC Köln - Borussia Dortmund | 2:3 |
Bundesliga | Borussia Dortmund - Hamburger SV | 2:0 |
Europa League | Borussia Dortmund - Atalanta Bergamo | 3:2 |
Bundesliga | Borussia Mönchengladbach - Borussia Dortmund | 0:1 |
Europa League | Atalanta Bergamo - Borussia Dortmund | 1:1 |
Bundesliga | Borussia Dortmund - FC Augsburg | 1:1 |
Bundesliga | RB Leipzig - Borussia Dortmund | 1:1 |
BVB-Offensive könnte zur Gefahr werden
Die BVB-Offensive um Marco Reus, Andre Schürrle, Mario Götze und Winter-Leihgabe Michy Batshuayi steht dafür sinnbildlich. Auf dem Papier bärenstark, alles glänzende Kicker, aber weit davon entfernt, ideal eingespielt oder abgestimmt zu agieren.
Dennoch wird Salzburg selbstverständlich auf diese Abteilung gehörig aufpassen müssen. Dortmunds Angriff ist seit längerer Zeit immer für Tore gut, Formschwankungen hin oder her. Zumal die individuelle Qualität dieser Akteure auch eine Hausnummer ist, mit der die Verteidigung der Bullen erst einmal klarkommen muss.
Gelingt dies und kommt Salzburg im eigenen Ballbesitz zu ausreichend Entlastung, stehen die Chancen auf ein gutes Ergebnis in Dortmund nicht schlecht. Womit der BVB nämlich Probleme hat, und das hat Stöger wiederholt zugegeben, ist die physische Komponente des Spiels.
Dortmund: Der "Krieger" fehlt
Die Spezialdisziplin der Schwarzgelben sei es laut Stöger nicht, sich gegnerischen Angriffen mit resolutem Einsatz und einem hohen Maß an Körperlichkeit zu erwehren. Mit dieser Einschätzung liegt er in dieser Spielzeit definitiv richtig und auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat schon in Aussicht gestellt, zum neuen Jahr einen böse dreinblickenden "Krieger" für das defensive Mittelfeld zu engagieren.
Hier liegt eine der Schwachstellen im Team: Julian Weigl, unter Thomas Tuchel noch Passmaschine und zum Nationalspieler gereift, fremdelte mit Boszs Herangehensweise extrem. Stöger lässt ihn nun wieder isolierter und tiefer als klaren Sechser spielen, der sich im Aufbau fallen lässt und das Spiel nach vorne trägt.
Viele Gegner stehen Weigl jedoch mit gezielter Mannorientierung auf den Füßen. Dieser Kniff reichte teilweise schon aus, um den ohnehin wenig strukturierten Dortmunder Spielfluss Richtung vorderes Drittel zu unterbinden.
Salzburg ist gegen BVB nicht chancelos
Dort liegt also eine Salzburger Chance. Gelingt es den Gästen, sich in den Rücken der Dortmunder Sechser - Weigls Nebenmann agiert eher etwas vorgezogen als Achter und wechselt sich personell zudem immer mal wieder ab (zuletzt Mahmoud Dahoud oder Gonzalo Castro) - zu kombinieren und von dort aus Tempo aufzunehmen, bekommt auch die unter Stöger wieder sattelfeste Verteidigung Probleme.
Fest steht: Der BVB wird als Favorit in die beiden Begegnungen gehen und ist unter Stöger noch nicht geschlagen worden. Daraus jedoch eine Salzburger Chancenlosigkeit abzuleiten, wäre angesichts der strukturellen Schwierigkeiten im Dortmunder Spiel ein vorschnelles Urteil.
Die BVB-Bilanz gegen österreichische Teams
Saison | Wettbewerb | Runde | Begegnung | Ergebnis |
2003/04 | UEFA-Cup | 1. Runde | Austria Wien - Borussia Dortmund | 1:2 |
2003/04 | UEFA-Cup | 1. Runde | Borussia Dortmund - Austria Wien | 1:0 |
2015/16 | Europa-League-Qualifikation | 3. Runde | Wolfsberger AC - Borussia Dortmund | 0:1 |
2015/16 | Europa-League-Qualifikation | 3. Runde | Borussia Dortmund - Wolfsberger AC | 5:0 |